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finde-mich-sofort.de (German Edition)

finde-mich-sofort.de (German Edition)

Titel: finde-mich-sofort.de (German Edition)
Autoren: Tatjana Meissner
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Blind Dates
    Das Thermometer zeigt dreiundzwanzig Grad minus. Potsdam ist kalt. Das Lenkrad ist kalt. Mir ist kalt. Ich habe die Ärmel des Pullovers über die Hände gezogen, so steuere ich meinen Wagen durch die Nacht. Der Luftstrom des Gebläses rauscht auf Hochtouren, warme Luft hüllt mich ein. Die Sitzheizung wärmt meinen Po. Trotzdem friere ich.
    Das liegt sicher an dieser verflixten Erkältung, die ich mir aus dem Urlaub mitgebracht habe. Seit gestern fühle ich mich schlapp und müde, meine Lunge brennt und meine Nase läuft. Das alles geht zweifelsohne aufs Konto irgendwelcher karibischer Viren, die sich, der Karibik anscheinend überdrüssig, heimtückisch an mich geheftet haben und so nach Europa ausgewandert sind.
    Ich kann nur hoffen, dass meine Immunabwehr inzwischen das Notfallprogramm gestartet hat und alle verfügbaren T -Killerzellen damit beschäftigt sind, den ungebetenen Gästen klar zu machen, dass sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben.
    Missmutig schaue ich durch die immer noch nicht ganz aufgetaute Frontscheibe. Mein Weg nach Berlin führt mich über die AVUS . Keine Laterne wirft ihr Licht auf die stockdunkle Stadtautobahn.
    Armes Berlin, denke ich, arm aber sexy!
    Ich dagegen fühle mich unsexy, einsam und irgendwie falsch. Dabei hätte ich jeden Grund, mit der mir angeborenen optimistischen Grundstimmung ein bisschen aufgeregt und freudig-zuversichtlich durch die eisige Januarnacht zu fahren. Heute treffe ich zum ersten Mal meine neueste Internetbekanntschaft. Carsten . Ich wollte ihn sehen. Unbedingt.
    Schon während meiner Urlaubswoche auf dem Clubschiff Aida fühlte ich mich verlassen, trotz des Trubels, der Partys und der vielen Leute um mich herum. Bei strahlend blauem Himmel unter südlicher Sonne sehnte ich mich nach Geborgenheit. Wieder zu Hause in meiner kleinen kuscheligen Zwei-Zimmer-Wohnung angekommen, besserte sich mein Zustand nicht. Das Gefühl der Einsamkeit wurde nur immer unerträglicher.
    Mit glasigen Augen starrte ich auf meinen Küchenfernseher, in dem sich die Pärchen reihenweise in die Arme fielen, zerfloss in Selbstmitleid und haderte mit meinem Schicksal als Dauersingle. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und rief Carsten an.
    Er nahm nicht ab und rief auch nicht zurück. Wie war das möglich? Ich verstand nichts mehr. Wir hatten uns doch versprochen, uns gleich nach meinem Urlaub richtig zu treffen, nicht nur im Chat oder am Telefon, wie in den vergangenen zehn Wochen.
    Warum meldete er sich nicht? Die Frage nagte seit gestern an meinem Selbstbewusstsein.
    Heute Nachmittag wählte ich dann zum dritten Mal seine Nummer, und diesmal unterdrückte ich vorsichtshalber meine eigene.
    Tuuuut, tuuut! Bitte geh diesmal ran. Bitte!
    »Ja, Carsten hier.«
    »Hallo? Ich bin ’ s!«, rief ich erleichtert und setzte ziemlich cool nach: »Du, Carsten , heute Abend ist es soweit. Lass uns essen gehen!«
    Eine peinliche Pause entstand. Mist, er hat mich vergessen. Tatsächlich – »Wer ist da?«, fragte er.
    »Tatjana!«
    »Ach, Tatjana.« Die Erinnerung kam also zurück. Aber klang das jetzt erfreut oder eher neutral? »Na, wie war dein Urlaub?«
    »Schön, aber das würde ich dir gern persönlich erzählen. Und ich habe Hunger!«, antwortete ich und ärgerte mich im selben Moment, diese forsche Art nicht lassen zu können.
    »Gerne, wann kannst du?«
    »Ab 19.00 Uhr.«
    »Kennst du das › 12 Apostel‹ am Savignyplatz?«
    »Ja«, sagte ich und war zu befangen, einen Gegenvorschlag zu machen. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, mich beim ersten Treffen immer dort zu verabreden, wo ich jemanden kenne, der im Zweifel auf mich aufpasst. Man weiß ja nie …
    »Dann warte ich da auf dich. Ich freu mich.«
    »Bis gleich!«
    Ach ja, Carsten … In knapp vierzig Minuten werde ich beim Italiener sitzen und – wie immer bei solchen Verabredungen – jeden Mann, der allein das Lokal betritt, genau anschauen und hoffen, er möge dem Foto im Internet wenigstens entfernt ähnlich sehen. Nur noch vierzig Minuten! Ein düsterer Gedanke blitzt kurz auf: Ob er da sein wird?
    Ich hätte eigentlich auch gemütlich vor dem Fernseher sitzen bleiben und heiße Zitrone trinken können, anstatt mich jetzt mit der Frage rumzuschlagen, ob er vielleicht nur aus Höflichkeit zugesagt hat. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, schalte ich alle gespeicherten Programme meines Autoradios durch, bis ich einen Musiktitel finde, den ich mitsingen kann. »Mambo No. Five«, krächze ich und
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