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TS 88: Das Ende der Zeitreise

TS 88: Das Ende der Zeitreise

Titel: TS 88: Das Ende der Zeitreise
Autoren: H. G. Ewers
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des Raumes. Sein bläulich leuchtendes, ovales Gravitationsorgan hatte Mühe, den amorphen Körper zusammenzuhalten. Oa-Oa war etwas, das man in der Urzeit mit einem Metazoon verglichen hätte, ein vielzelliges Lebewesen, trotz des Mangels einer beständigen Körperform. Die Zellen seines Körpers aber bestanden nicht aus protoplasmatischer Substanz, sie waren ein mikroskopisch feines Gewebe harmonisch geordneter Energie. Es war Oa-Oa möglich, aus diesem amorphen Gewebe ein komplettes Glied, das mit den Äquivalenten von Muskeln, sensiblen Nerven und Kontaktorganen ausgerüstet war, zu bilden. Seine Nahrung bestand aus Energie, die er aus der kosmischen Strahlung absorbierte. Er, wie alle Angehörigen der Gemeinschaft, lebte im freien Raum. Ein besonderes Organ, das sechsdimensionale Strukturimpulse speicherte, diente der Entwicklung jener Gravitation, die seinen Körper im Vakuum zusammenhielt.
    Bei seinem Aufbruch hatte dieser Impulsspeicher die Größe eines mittleren Planetoiden besessen. Jetzt war er zu einem knapp fünfzig Zentimeter durchmessenden ovalen Klumpen zusammengesunken. Die Zeit drängte. Endlich hatte Oa-Oa gefunden, was er suchte. Er ballte sich ruckartig zusammen. Dort, wo eben noch sein schimmernder Körper geschwebt hatte, herrschte jetzt wieder völlige Dunkelheit.
    Die Angst, sein Ziel zu verfehlen und es dann nie mehr erreichen zu können, hatte Oa-Oa den Dimensionssprung zu weit berechnen lassen. Er materialisierte inmitten fester Materie. Doch das machte ihm nichts aus. Sofort dehnte sich seine Körpersubstanz aus. Nach einiger Zeit drang sie durch die eisige Oberfläche des Zielplaneten, floß wieder zusammen und formte eine vibrierende Halbkugel.
    Wieder streckte Oa-Oa einige Pseudopochen aus filigranartig von leuchtenden Fäden durchwobener Substanz aus. Sie stellten sich steil nach oben. Oa-Oa entdeckte schwachglimmende Pünktchen, deren vorkalkulierte Konstellation eine Positionsbestimmung ermöglichte.
    Die Position stimmte.
    Oa-Oa befand sich auf der Erde!
    Erneut ballte er sich zusammen und materialisierte einige Kilometer über der Oberfläche. Unter ihm lag grobporiges, federleichtes Gestein, das allerdings diesen Namen nur noch relativ zu Oa-Oas Körper verdiente. Ein menschliches Auge hätte nur die finstere Leere des Nichts wahrgenommen. Oa-Oa besaß bessere Möglichkeiten, seine Umgebung zu erkunden. Nach einiger Zeit stieg er noch höher, obwohl es ihn wieder unersetzliche Energie kostete. Er fühlte sich glücklich – trotz seiner absoluten Einsamkeit – hatte er doch seinen letzten Wunsch erfüllen können, die Erde, den Ursprungsplaneten seiner Rasse, zu sehen.
    Traurig und glücklich zugleich sann er über die Zukunft nach. Traurig, daß alles nun ein Ende nähme, glücklich, daß dieses Ende ihn hier erreichen würde. Die Entropie kannte keinen Aufschub. Letzten Endes würde alles Leben erlöschen. Selbst die seit Jahrmilliarden toten Planeten würden von nun an immer schneller in den Weltraum diffundieren, bis alle Materie gleichmäßig verteilt wäre. Auch die Erde näherte sich der Auflösung. Sie war eigentlich nur noch eine strukturelle Zusammenballung dünn verteilter Masse, dünner als das, was unvollkommene Vorfahren für ein Vakuum angesehen hätten.
    Oa-Oa versuchte, sich, die Menschen der Urzeit vorzustellen. Es gelang ihm nicht. Er wußte nur, daß es Wesen waren, die in Abhängigkeit von einer Atmosphäre lebten und die den freien Raum noch mieden. Zur Fortbewegung benutzten sie nicht eigene Körperorgane, sondern künstliche Gebilde, die man Transmitter nannte, und nur in seltenen Fällen metallene Kapseln mit Dimensionsantrieb. Die Herkunft der Vorfahren lag, ebenso wie ihre Gestalt, im vergessenen Dunkel des neugeborenen Universums. Für sie mußte es wunderbar gewesen sein, sich im ersten Nachglanz der Schöpfung zu sonnen.
    Nun würde bald der Schlußstrich unter die kurze Episode, die sich Universum nannte, gezogen werden. Die maximale Entropie löschte alle Existenz aus, denn ohne Zeit gab es auch keine Existenz. Doch Oa-Oa wußte, daß auf jedes Ende ein neuer Beginn folgt. Es würde keine Pause eintreten, denn eine Pause setzte die Meßbarkeit von ablaufender Zeit voraus. Das Ende wäre gleichzeitig der Beginn eines der Entropie gegenläufigen Prozesses, in dessen Verlauf alles, die Welteninseln, die Sonnen und die Planeten, durch Kontraktion neu geschaffen würden.
    Nichts wäre dann so wie beim erstenmal – oder war es gar nicht das
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