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TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
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dem luxuriösen Büro zwischen den Lederstühlen und dem riesigen Mahagonischreibtisch auf und ab.
    „Ich möchte mich mit dieser Sache abfinden. Ich bin ein Ausstellungsgegenstand. Ein künstlicher Abklatsch der Vergangenheit. Fleming hat gesagt, so etwas würde mir einmal passieren.“
    „Setzen Sie sich doch, Mr. Miller“, sagte Grunberg mit sanfter und doch keinen Widerspruch duldender Stimme.
    Als Miller sich wieder gesetzt hatte, fuhr er fort:
    „Ich verstehe schon, was Sie sagen. Sie haben das allgemeine Gefühl, daß alles um Sie herum unwirklich ist. Eine Art Bühne.“
    „Eine Ausstellung.“
    „Ja, eine Ausstellung in einem Museum.“
    „In der Geschichtsagentur von New York, Stockwerk R, zwanzigstes Jahrhundert.“
    „Und außer diesem allgemeinen Gefühl von – Substanzlosigkeit gibt es gewisse Erinnerungen an Personen und Orte, die auf dieser Welt nicht existieren. Vielleicht sollte ich sagen, in einer Welt, von der aus betrachtet diese hier nur eine Schattenwelt ist.“
    „So schattenhaft kommt mir aber diese Welt nicht vor.“ Miller schlug mit der flachen Hand auf die Armstütze seines Ledersessels.
    „Diese Welt ist völlig real. Das ist es ja, was nicht stimmt. Ich bin hereingekommen, um die Geräusche zu untersuchen. Und jetzt kann ich nicht wieder heraus. Gott im Himmel, muß ich den Rest meines Lebens hier herum wandern?“
    „Sie wissen natürlich, daß Ihr Gefühl vom Großteil der Menschheit geteilt wird. Besonders während Perioden großer Spannung. Wo – übrigens – war denn die Zeitung? Haben Sie sie gefunden?“
    „Soweit es mich betrifft …“
    „Ist das für Sie ein reizbarer Punkt? Ich sehe, daß Sie besonders heftig reagieren, wenn ich die Zeitung erwähne.“
    Miller schüttelte müde den Kopf. „Vergessen Sie es.“
    „Oh, nein. Der Zeitungsjunge wirft die Zeitung also unbedacht ins Blumenbeet, nicht auf die Terrasse. Darüber ärgern Sie sich. Es geschieht immer wieder. Früh am Morgen, gerade bevor Sie zur Arbeit fahren wollen. Das ist für Sie ein Symbol für all die kleinen Nadelstiche, die Sie bei Ihrer Arbeit vielleicht erleiden müssen. Ihr ganzes Leben lang.“
    „Persönlich schere ich mich den Teufel um diese Zeitung.“ Miller sah auf die Armbanduhr. „Ich gehe jetzt – es ist beinahe Mittag. Der alte Davidson bekommt sowieso einen Wutanfall, wenn ich nicht um …“ Er unterbrach sich. „Da ist es wieder.“
    „Da ist was?“
    „Das alles!“ Miller deutete ungeduldig zum Fenster hinaus. „Dieser ganze Ort! Diese verdammte Welt. Diese Ausstellung.“
    „Ich habe einen Gedanken“, meinte Dr. Grunberg langsam. „Ich will ihn Ihnen sagen. Denken Sie sich nichts dabei, nein zu sagen, wenn Sie nicht damit einverstanden sind.“ Er sah Miller durchdringend an. „Haben Sie jemals Kinder mit einer Spielzeugrakete spielen sehen?“
    „Himmel“, sagte Miller resignierend, „ich habe Raketenfrachter, die Fracht zwischen der Erde und dem Jupiter befördern, auf dem La Guardia Raumhafen landen sehen.“
    Grunberg lächelte. „Gehen Sie auf meine Frage ein. Ist es berufliche Spannung?“
    „Was meinen Sie?“
    „Es wäre schön“, sagte Grunberg leise, „in der Welt von morgen zu leben, mit Robots und Raketenschiffen. Sie könnten sich einfach in den Lehnstuhl setzen und es sich gutgehen lassen. Keine Sorgen, keine Ängste.“
    „Meine Stellung in der Geschichtsagentur bringt genügend Sorgen und Ängste mit sich.“ Miller erhob sich ruckhaft. „Hören Sie, Grunberg. Entweder ist das eine Ausstellung im Stockwerk R der Geschichtsagentur oder ich bin ein kleiner Angestellter mit einer Fluchtpsychose. Im Augenblick kann ich mich für keines von beiden entscheiden. Im einen Augenblick glaube ich, daß das eine wirklich ist und im nächsten …“
    „Wir können das leicht feststellen“, sagte Grunberg.
    „Wie?“
    „Sie haben die Zeitung gesucht. Auf dem Weg, neben dem Rasen. Wo ist es geschehen? War es auf dem Weg? Auf der Terrasse? Versuchen Sie sich zu erinnern.“
    „Ich brauche es nicht zu versuchen. Ich war noch auf dem Weg. Ich war gerade über die Barriere gesprungen.“
    „Auf dem Weg. Gehen Sie dorthin zurück. Finden Sie die genaue Stelle.“
    „Warum?“
    „Damit Sie sich selbst beweisen können, daß nichts auf der anderen Seite ist.“
    Miller atmete tief und langsam. „Und wenn etwas dort ist?“
    „Dort kann nichts sein. Das haben Sie selbst gesagt; nur eine der beiden Welten kann wirklich sein. Diese Welt ist wirklich
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