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TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
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wirklichkeitsfremd sind. Sie und Ihre anachronistischen Wunschträume nach der Vergangenheit. Manchmal schäme ich mich, daß ich Theoretiker bin. Ich wünschte, ich wäre Ingenieur geworden.“ Flemings Lippen zuckten. „Sie sind wahnsinnig, das wissen Sie ja. Sie stehen inmitten einer künstlichen Ausstellung, die Eigentum der Geschichtsagentur ist, ein Bündel Plastik und Drähte und Stangen. Ein Abbild aus einer vergangenen Zeit. Eine Imitation. Und trotzdem sind Sie lieber dort als in der wirklichen Welt.“
    „Eigenartig“, sagte Miller nachdenklich. „Mir scheint, dasselbe habe ich erst kürzlich hier gehört. Sie kennen nicht zufällig einen gewissen Doktor Grunberg? Ein Psychiater.“
     
    *
     
    Ohne viel Aufhebens erschien plötzlich Direktor Carnap mit einer Schar von Assistenten und Fachleuten. Fleming zog sich schnell zurück. Miller stand jetzt einer der mächtigsten Gestalten des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts gegenüber. Er grinste und streckte dem anderen die Hand hin.
    „Sie verrückter Kerl“, polterte Carnap. „Machen Sie, daß Sie dort herauskommen, ehe wir Sie mit Gewalt holen. Wenn wir das tun müssen, sind Sie am Ende. Sie wissen, was mit fortgeschrittenen Psychotikern geschieht. Für Sie gibt das Euthanasie. Sie haben noch eine Chance, aus dieser Ausstellung herauszukommen …“
    „Tut mir leid“, widersprach Miller. „Das ist keine Ausstellung.“
    Carnaps breites Gesicht zeigte plötzlich eine Spur von Erstaunen. Einen kurzen Augenblick schien er die Fassung zu verlieren.
    „Sie versuchen immer noch, zu behaupten …“
    „Das ist ein Zeittor“, sagte Miller leise. „Sie können mich nicht herausholen, Carnap. Sie können mich auch nicht erreichen. Ich bin in der Vergangenheit, zweihundert Jahre vor Ihrer Zeit. Ich bin in ein früheres Koordinatensystem zurückversetzt worden. Ich habe eine Brücke gefunden und bin aus Ihrem Kontinuum in dieses hier geflohen, und Sie können nichts daran ändern.“
    Carnap und seine Fachleute berieten. Miller wartete geduldig. Er hatte eine Menge Zeit; er hatte beschlossen, erst am Montag wieder ins Büro zu gehen.
    Nach einer Weile kam Carnap erneut auf die Öffnung zu, diesmal sorgfältig darauf bedacht, die Sicherheitsbarriere nicht zu berühren.
    „Eine interessante Theorie, Miller. Das ist das Eigenartige an Psychotikern. Sie versuchen immer, ihre Illusionen in ein System der Logik einzubauen. A priori klingt ihre Erklärung ganz vernünftig. Nur …“
    „Nur was?“
    „Nur stimmt sie leider nicht.“ Carnap hatte seine Fassung wiedergefunden und schien an dem Wortwechsel Spaß zu haben. „Sie glauben, Sie befinden sich wirklich in der Vergangenheit. Ja, diese Ausstellung hier ist äußerst genau. Sie haben immer gute Arbeit geleistet. Keine der anderen Ausstellungen kommt, was die Genauigkeit der Details angeht, dieser hier gleich.“
    „Ich war immer bemüht, meine Arbeit gut zu tun“, murmelte Miller.
    „Sie trugen archaische Kleidung und gefielen sich in archaischen Redewendungen und Manieren. Sie taten alles in Ihrer Macht Stehende, um sich zurückzuversetzen. Sie haben sich blind Ihrer Arbeit ergeben.“ Carnap tippte mit dem Fingernagel auf das Sicherheitsgeländer.
    „Es wäre jammerschade, Miller. Jammerschade, eine solche Ausstellung zu zerstören.“
    „Ich verstehe, was Sie meinen“, sagte Miller nach einer Weile. „Natürlich gebe ich Ihnen recht. Ich war sehr stolz auf meine Arbeit – es würde mir wehtun, zusehen zu müssen, wie alles zerstört wird. Aber das wird Ihnen auch nichts nützen. Dabei wird Ihnen nur gelingen, das Zeittor zu schließen.“
    „Sind Sie sicher?“
    „Natürlich. Die Ausstellung ist nur eine Brücke, eine Verbindung mit der Vergangenheit. Ich bin durch die Ausstellung gegangen, aber ich bin jetzt nicht mehr dort. Ich bin dahinter.“ Er grinste. „Wenn Sie die Ausstellung zerstören, macht mir das nichts aus. Aber tun Sie es ruhig, wenn Sie Lust haben. Ich glaube nicht, daß ich gerne umkehren möchte. Ich wollte, Sie könnten diese Seite hier sehen, Carnap. Hübsch ist es hier. Freiheit, für jeden eine Chance. Eine Regierung, die sich nicht in jede Kleinigkeit mischt und die dem Volk gegenüber verantwortlich ist. Wenn Sie hier eine Arbeit nicht mögen, können Sie sich eine andere suchen. Und Euthanasie gibt es hier keine. Kommen Sie herüber. Ich würde Sie gerne meiner Frau vorstellen.“
    „Wir bekommen Sie schon“, sagte Carnap. „Und all Ihre psychotischen
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