Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Frosch!“
    „Setzen Sie sich, meine Herren.“ Der Dekan deutete auf zwei Stühle mit geraden Lehnen. „Machen Sie es sich bequem. Es tut mir leid, daß ich Sie stören muß, wo Sie doch so beschäftigt sind, aber ich möchte Sie einen Augenblick sprechen.“ Er sah die beiden an. „Darf ich fragen, worüber die Diskussion diesmal geht?“
    „Es ist wegen Zeno“, murmelte Grote.
    „Zeno?“
    „Das Paradoxon mit dem Frosch und dem Brunnenschacht.“
    „Aha.“ Der Dekan nickte. „Aha. Der Frosch und der Brunnenschacht. Ein zweitausend Jahre alter Satz. Ein uraltes Rätsel. Und Sie, zwei erwachsene Männer, stehen im Korridor und streiten sich wie …“
    „Die Schwierigkeit“, unterbrach Hardy, „ist die, daß niemand je das Experiment durchgeführt hat. Das Paradoxon ist eine reine Abstraktion.“
    „Dann werden Sie beide die ersten sein, die den Frosch in den Brunnen hinunterlassen und zusehen, was geschieht.“
    „Aber der Frosch wird nicht so springen wie es in dem Paradoxon vorgeschrieben ist.“
    „Dann werden Sie ihn eben dazu bringen müssen, sonst gar nichts. Ich gebe Ihnen zwei Wochen Zeit, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen und dann dieses Paradoxon zu lösen. Weitere Streitereien dulde ich jedenfalls nicht – das geht ja jetzt schon seit Monaten so. Ich möchte, daß die Sache ein für allemal geklärt wird.“
    Hardy und Grote schwiegen.
    „Nun, Grote“, sagte Hardy schließlich, „fangen wir an.“
    „Wir werden ein Netz brauchen“, meinte Grote.
    „Ein Netz und ein Glas“ seufzte Hardy. „Nun, sehen wir zu, daß wir es hinter uns bringen.“
     
    *
     
    Die „Froschkammer“, wie sie bald genannt wurde, erwies sich als ein umfangreiches Projekt. Die Universität stellte ihnen den größten Teil des Kellergeschosses zur Verfügung, und Grote und Hardy machten sich sofort an die Arbeit und trugen Teile und Geräte hinunter. Es gab keine Menschenseele in der ganzen Universität, die nicht bald davon wußte. Ein Großteil der naturwissenschaftlich orientierten Studenten stand auf Hardys Seite und beharrte darauf, daß der Frosch den Schacht nie würde verlassen können. In der philosophischen Fakultät und in den Kunstklassen dagegen neigte man zu Grotes Ansicht und bestand darauf, daß der Frosch den Schacht verlassen würde.
    Grote und Hardy arbeiteten fieberhaft an dem Projekt. Sie ließen sich im Laufe der zwei Wochen in ihren Klassen immer seltener blicken, während die Kammer selbst wuchs und immer mehr Ähnlichkeit mit einer Kanalisationsröhre bekam. Ein Ende ging in einem undurchschaubaren Gewirr von Drähten und Röhren unter, am anderen Ende gab es eine Tür.
    Als Grote eines Tages herunterkam, war Hardy schon da und spähte in die Röhre.
    „Hören Sie“, sagte Grote. „Wir hatten vereinbart, hier nichts zu unternehmen, wenn der andere nicht auch da ist.“
    „Ich sehe ja nur hinein. Dunkel ist es dort.“ Hardy grinste. „Hoffentlich kann der Frosch sehen.“
    „Nun, er kann ja nur in eine Richtung kriechen.“
    Hardy zündete sich die Pfeife an. „Was halten Sie davon, wenn wir eine Probe machen? Mich juckt es richtig in den Fingern.“
    „Es ist zu früh.“ Grote sah Hardy etwas nervös zu, wie dieser nach seinem Glas suchte. „Sollten wir nicht noch etwas warten?“
    „Sie haben wohl Angst vor der Wirklichkeit, was? Da, helfen Sie mir.“
    Plötzlich hörten sie ein Geräusch an der Tür. Sie blickten auf. Da stand Pitner und sah neugierig herein.
    „Was wollen Sie?“ fragte Hardy. „Wir sind sehr beschäftigt.“
    „Werden Sie es versuchen?“ Pitner trat ein. „Wozu sind all die Spulen und Relais?“
    „Es ist sehr einfach“, sagte Grote und strahlte. „Das ist etwas, was ich mir selbst ausgedacht habe. Diese Seite hier …“
    „Ich werde es ihm zeigen“, unterbrach ihn Hardy. „Sie verwirren ihn nur. Ja, wir wollten gerade den ersten Versuchsfrosch laufen lassen. Sie können hierbleiben, junger Mann, wenn Sie Lust haben.“
    Er öffnete das Glas und nahm einen Frosch heraus.
    „Wie Sie sehen, hat das große Rohr einen Eingang und einen Ausgang. Der Frosch wird durch den Eingang hineingebracht. Sehen Sie in die Röhre, junger Mann. Nur zu.“
    Pitner sah hinein. Er erblickte einen langen, schwarzen Tunnel.
    „Was sind das für Striche?“
    „Meßstriche. Grote, schalten Sie ein.“
    Die Maschinerie begann zu summen. Hardy nahm den Frosch und setzte ihn in die Röhre. Dann schlug er die eiserne Tür zu und legte einen Riegel vor.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher