Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Halluzinationen auch.“
    „Ich zweifle, ob eine meiner psychotischen Halluzinationen sich deshalb Sorgen macht. Grunberg jedenfalls hat es nicht getan. Und Marjorie, glaube ich …“
    „Wir haben bereits mit den Vorbereitungen für den Abbruch begonnen“, sagte Carnap ruhig. „Wir machen es Stück für Stück, nicht alles auf einmal. Auf diese Weise haben Sie Gelegenheit, die wissenschaftliche und – künstlerische – ja, künstlerische Art und Weise zu bewundern, wie wir Ihre Traumwelt auseinanderlegen.“
    „Sie verschwenden Ihre Zeit“, sagte Miller. Er wandte sich um und ging die Straße hinunter, auf den Kiesweg und zur Terrasse seines Hauses.
    Im Wohnzimmer ließ er sich in den Lehnsessel fallen und schaltete den Fernseher ein. Dann ging er in die Küche und holte eine Dose eiskaltes Bier aus dem Kühlschrank. Er trug sie freudig lächelnd in das bequeme Wohnzimmer zurück.
    Als er sich vor den Fernseher setzte, bemerkte er etwas Zusammengerolltes auf dem niedrigen Kaffeetisch.
    Er grinste. Es war die Morgenzeitung, die er so gesucht hatte. Marjorie hatte sie mit der Milch wie gewöhnlich hereingebracht und natürlich vergessen, es ihm zu sagen. Er gähnte befriedigt und griff nach dem Blatt. Dann faltete er es auf – und las die dicke Überschrift:
    RUSSLAND BESITZT DIE KOBALTBOMBE.
    TOTALE VERNICHTUNG DER WELT STEHT BEVOR.

 
Zenos Theorie
    (THE INDEFATIGABLE FROG)
     
    „Zeno war der erste große Wissenschaftler“, erklärte Professor Hardy und sah sich würdevoll in seiner Klasse um. „Betrachten Sie zum Beispiel sein Paradoxon mit dem Frosch und dem Brunnen. Wie Zeno bewies, wird der Frosch nie den Brunnenrand erreichen. Jeder Sprung ist halb so groß wie der vorhergegangene, und so bleibt immer eine kleine, aber sehr reale Differenzstrecke, die er hinter sich bringen muß.“
    Schweigen. Die Physikklasse 3a dachte über Hardys Behauptung nach. Dann erhob sich langsam in der letzten Bank eine Hand.
    Hardy musterte die Hand ungläubig. „Nun?“ sagte er. „Was gibt’s denn, Pitner?“
    „Aber wir haben in Logik gelernt, daß der Frosch schon an den Brunnenrand kommt. Professor Grote hat gesagt …“
    „Und ich sage, daß er ihn nicht erreicht!“
    „Professor Grote sagt aber das Gegenteil.“
    Hardy verschränkte die Arme über der Brust. „In dieser Klasse erreicht der Frosch den Brunnenrand jedenfalls nicht. Ich habe mir den Beweis selbst angesehen. Ich bin davon überzeugt, daß er immer eine kurze Strecke vor dem Rand bleiben wird. Wenn er zum Beispiel …“
    Es läutete. Die Stunde war zu Ende.
    Die Studenten erhoben sich und schoben sich auf die Tür zu. Professor Hardy, der seinen Satz nicht hatte zu Ende sprechen können, blickte ihnen nach. Er strich sich verärgert über das Kinn. Es war immer das gleiche mit diesen jungen Leuten.
    Als der letzte seiner Schüler den Raum verlassen hatte, griff Hardy nach seiner Pfeife und trat in den Korridor hinaus. Er sah sich um. Natürlich, da stand ja Grote, gar nicht weit von ihm entfernt. Er trank gerade an der Trinkfontäne.
    „Grote!“ sagte Hardy. „Kommen Sie her!“
    Professor Grote blickte auf. „Was ist denn?“
    „Kommen Sie her.“ Hardy schritt auf ihn zu. „Wie können Sie es wagen, auch nur zu versuchen, Zeno zu lehren? Er war ein Naturwissenschaftler und gehört als solcher in meinen Lehrstoff und nicht in Ihren. Überlassen Sie ihn ruhig mir!“
    „Zeno war Philosoph.“ Grote blickte indigniert zu Hardy auf. „Ich weiß schon, woran Sie denken. Das ist dieses Paradoxon mit dem Frosch und dem Brunnen. Zu Ihrer Information, Hardy, – der Frosch kommt aus dem Brunnen. Sie haben Ihren Schülern etwas Falsches beigebracht. Die Logik steht auf meiner Seite.“
    „Logik, bah!“ Hardys Augen flackerten. „Alte, verstaubte Lehrsätze. Es ist doch sonnenklar, daß der Frosch für alle Ewigkeit festsitzt und nie herauskommt!“
    „Natürlich kommt er heraus.“
    „Niemals.“
    „Sind Sie fertig, meine Herren?“ fragte eine ruhige Stimme. Sie wandten sich um. Der Dekan war hinter sie getreten und lächelte. „Wenn Sie fertig sind, hätte ich Sie gerne beide einen Augenblick in mein Büro gebeten.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf seine Tür. „Es dauert nicht lange.“
    Grote und Hardy sahen einander an. „Sehen Sie, was Sie jetzt angerichtet haben?“ flüsterte Hardy, als sie das Büro des Dekans betraten. „Jetzt sitzen wir wieder in der Tinte.“
    „Sie haben damit angefangen – Sie und Ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher