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TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
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zwanzigsten Jahrhunderts kroch, aus denen die Ausstellung bestand, und dahinter verschwand.
    Miller ging schnaufend über das Pflaster und erreichte einen sorgfältig gepflegten Kiesweg. Vielleicht war es einer von den anderen Theoretikern, ein Spitzel des Aufsichtsrats, der hier herumschnüffelte und etwas suchte, womit er ihn in Mißkredit bringen konnte. Eine Ungenauigkeit hier – ein unbedeutender Fehler dort. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Rechts von ihm war ein Blumenbeet. Dahinter der feuchte, grüne Rasen. Die schimmernde, weiße Garage mit halbgeöffneter Tür. Das glänzende, schlanke Heck eines neunzehnhundertvierundsechziger Buick – und dann das Haus selbst.
    Er würde vorsichtig sein müssen. Wenn es wirklich jemand vom Aufsichtsrat war, würde er die offizielle Hierarchie gegen sich haben. Vielleicht war es ein Bedeutender. Vielleicht sogar Edwin Carnap, der Präsident des Aufsichtsrats, der höchste Beamte im New Yorker Zweigbüro des Weltdirektorats. Miller kletterte die drei Stufen hinauf. Jetzt stand er auf der Terrasse des Hauses aus dem zwanzigsten Jahrhundert, das das Zentrum der Ausstellung bildete.
    Es war ein hübsches, kleines Haus. Wenn er in jenen Tagen gelebt hätte, hätte er es sich bestimmt gewünscht. Drei Schlafzimmer, ein Bungalow im Ranchstil. Er öffnete die Haustür und trat ins Wohnzimmer. Offener Kamin an einer Wand. Dunkle, weinfarbige Teppiche, Couch und Lehnstühle. Ein niedriger Teakholztisch mit einer Glasplatte darüber. Kupferne Aschenbecher. Ein Feuerzeug und ein Stapel Magazine. Bücherschrank. Fernsehempfänger. Und dann das große Fenster mit dem Blick auf den Garten.
    Das Haus war erstaunlich komplett. Unter seinen Füßen strahlte die Bodenheizung eine Aura der Wärme aus. Er sah in das erste Schlafzimmer. Das Boudoir einer Frau. Eine seidene Überdecke. Weißes, gestärktes Leinen. Schwere Vorhänge. Ein Spiegeltisch. Flaschen und Töpfe. Ein riesiger, runder Spiegel. Kleider im Schrank. Ein Morgenrock über dem Stuhl.
    Miller ging den Gang hinab und sah in das nächste Zimmer. Buntbedruckte Tapeten, Clowns und Elefanten und Drahtseilartisten. Das Kinderzimmer. Zwei kleine Betten für die beiden Jungen. Modellflugzeuge. Ein Schrank mit einem Radio darauf, ein paar Kämme, Schulbücher, Wimpel, ein paar Fotografien in einem Spiegel. Ein Briefmarkenalbum.
    Auch hier niemand.
    Miller sah in das Badezimmer, sogar in das Duschkabinett. Dann ging er durch das Speisezimmer, sah sogar in den Keller, wo die Waschmaschine stand. Er öffnete die Hintertür und untersuchte den Hinterhof. Ein Rasen und die Verbrennungsanlage. Ein paar kleine Bäume, und dann die dreidimensionale Kulisse anderer Häuser mit den unglaublich überzeugenden grauen Bergen dahinter. Und immer noch niemand zu sehen. Der Garten war leer – verlassen. Er schloß die Tür und kehrte um.
    Aus der Küche drang Gelächter.
    Das Lachen einer Frau. Das Klirren von Löffeln und Tellern. Und ein Geruch. Er brauchte einen Augenblick, um den Geruch zu identifizieren. Schinken und Kaffee. Und Toast. Jemand frühstückte.
    Ein Frühstück im Stil des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Er ging durch den Gang auf die Küche zu.
    Eine hübsche Frau Ende der Dreißig und zwei Jungen saßen um den kleinen Frühstückstisch aus Chrom und Plastik. Sie waren mit dem Essen fertig. Das Sonnenlicht fiel durch das Fenster über dem Spülbecken herein. Die Zeiger der Elektrouhr standen auf halb neun. Das Radio in der Ecke dudelte. Eine große Kanne mit schwarzem Kaffee stand in der Mitte des Tisches, umgeben von leeren Tellern, Milchgläsern und Silberbestecken.
    Die Frau trug eine weiße Bluse und einen karierten Tweedrock. Beide Jungen waren mit verblichenen Blue Jeans, Trikothemden und Tennisschuhen bekleidet. Bis jetzt hatten sie ihn noch nicht bemerkt. Miller stand erstarrt unter der Tür.
    „Ihr müßt euren Vater fragen“, sagte die Frau mit gespielter Strenge. „Wartet nur, bis er zurückkommt.“
    „Er hat es uns doch schon erlaubt“, protestierte einer der Jungen.
    „Nun, dann fragt ihn noch einmal.“
    „Morgens ist er immer brummig.“
    „Nicht heute. Er hat sehr gut geschlafen. Sein Heuschnupfen plagt ihn auch nicht mehr. Das ist das neue Antihistamin, das der Arzt ihm gegeben hat.“ Sie sah auf die Uhr. „Sieh doch nach, wo er so lange bleibt, Don. Er kommt noch zu spät zur Arbeit.“
    „Er wollte die Zeitung holen.“ Einer der Jungen schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Der Zeitungsjunge hat
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