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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean
Autoren: Subina Giuletti
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daneben. Eingefroren. Unsere Herzen pochen in einem Takt, verfolgen jede Sekunde auf dem Monitor. Und jetzt, jetzt... geht es los:
    Der Vorspann, der Trailer. Ich zähle die Sekunden. Jeder zählt die Sekunden. Wann sind diese 90 Sekunden endlich vorbei? In Js Version kommt nach der Carmina burana ein schräger Misston. In unserer Version Pianomusik.
    E!Liza flattert in ihrem letzten Kostüm über den Bildschirm. Ich schließe die Augen. Höre nur noch. Will nichts sehen. Stille, Spannung, hämmernde Herzen. Und da...
    Ein sanfter Pianoklang ertönt. Und noch einer. Leise, zart, wie eine Blume, entfaltet sich die Melodie und die Bilder dazu. Ich mache die Augen wieder auf. Wir warten... warten...  Rob hat die Hände gefaltet, flüstert: „Lasst ihn laufen, lasst ihn laufen...“ er läuft eine Minute, zwei Minuten... drei, vier, fünf... der Film ist noch drin, sie lassen ihn laufen... unterdrückte Hoffnung, die sich noch nicht wirklich äußert... Doch unser Film läuft weiter, weiter, weiter.
    „Sie lassen ihn drin!“ flüstert Rob nach zehn Minuten. „Sie lassen ihn drin! Er bleibt drin!“ und nachdem keiner reagiert, dreht er sich zu uns um, die Fernbedienung in der Hand. „Leute, er bleibt drin! Sie zeigen unseren Film!!! Es ist unser Film! Unser Film!!!“
    Die Spannung entlädt sich in einem alles übertönendem Gekreische. Alles tobt los. Alle reißen die Arme hoch, wir jubeln, wir schreien, wir brüllen, wir springen im Zimmer auf und ab, Rob rauft sich die Haare, umarmt Krug, der mit einem Schrei und leuchtenden Augen sein Bierglas in die Höhe stemmt. Jimmi steht vor dem Bildschirm, die Hand mit der geballten Faust nach oben gerissen. Mats jubelt: „Ja! Ja! Ja!“ Elisha weint... die Hänslers weinen... und ich auch. Die Spannung fließt aus mir heraus und ich sinke an Florians Brust, der wie immer bereitsteht und mich auffängt.
    Unser Film wird gezeigt. In voller Länge. E!Lizas Kostüme und Aussagen in einem völlig anderen Licht. Die Szene in der Schule, als sie sich zu dem Kind beugt, die wunderschöne Stimme von Mats, der gefühlvoll und nuanciert kommentiert. Die bewegenden Aufnahmen mit Hänsler... man spürt selbst auf die kilometerweite Entfernung, dass im Studio etwas passiert, die Stimmung sich drastisch ändert. Rob war wie immer ein Zauberkünstler gewesen. Er zeigt ein Auge, eine herablaufende Träne, er hat die Stimmung genial eingefangen mit seinen urigen Winkeln und Stellungen, es ist ein Traum.... Auszüge aus dem Film „Pay it forward“ und dann Krug als Höhepunkt. Alles wirkt: Der Schnitt, die Musik, die Übergänge und allem voran Krugs Geschichte, die Monotonie seiner Stimme, die die Dramatik mehr hervorhebt, als dies je ein heftiger Gefühlsausbruch vermocht hätte, die aufrichtigen Tränen, die er vergießt, das Geräusch, das sie machen, als sie ungehindert auf das grüne Linoleum der Schulturnhalle platschen, die weichen Nebel, in die sein Gesicht abtaucht und Fotos von Julia oder E!Liza Platz machen... Bilder ihrer Schwester, vorher, nachher. Ihr wunderschönes Gesicht, die Fratze, die sie nun erdulden muss. Bilder, die mir Florian zur Verfügung gestellt hat mit Hänslers und Julias Erlaubnis... der Schock über diesen Schicksalsschlag. E!Lizas Entscheidung, ihrer Familie in jeder Hinsicht zu helfen. Und dann der Brüller... ein erneutes Schockerlebnis für die Zuschauer: die letzte Szene mit dem Messer, die Nacktszenen, das Statement des Chauffeurs, die Großaufnahme des blau geschlagenen Stückchen Haut, das Handy mit dem Foto von Julia, die geflüsterte Drohung von Ryss. Der Kommentator sagt: Die Polizei ist eingeschaltet. Es folgen die Hilfsaktionen, für die E!Liza stillschweigend gespendet hat, die Brandopfer, die Misshandelten, die Aussagen ihrer Freunde dazwischen Der Film endet mit Florians Statement, dass E!Liza sich nach wie vor für Fälle wie die ihrer Schwester einsetzt, dass sie stillschweigend Geld sammelt für Menschen, deren Schicksal härter ist als das unsere. Das Piano perlt. Eine reine, melodiöse Tonfolge klingt durch den Film. E!Liza gleitet in einem Abendkleid in slow motion lächelnd durchs Bild, und noch einmal ertönt die Stimme von Mats:
    „Saint Exupery hat gesagt: Man sieht nur mit dem Herzen gut...“
    Der Film endet. Die Kamera geht zuerst in Publikum. Fassungslose Gesichter, betroffen, bewegt. Die Zuschauer weinen. Sie halten Taschentücher in der Hand, pressen sie an die Augen, bedecken mit den Händen ihr Gesicht. Die
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