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Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern
Autoren: William Tenn
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1.
     
    Die Menschheit bestand aus 128 Mitgliedern.
    Diese unerhörte Bevölkerungsdichte hatte schon vor langer Zeit die Besiedlung von mehr als einem Dutzend Höhlen notwendig gemacht. In voller Stärke durchstreifte die Patrouille der Männergesellschaft – dreiundzwanzig Männer in der Blüte ihres Lebens – die äußersten Laufgänge des Baues. Sie, die Truppenführer, und die ihnen unterstellten Jungkrieger waren an den Grenzen der Menschheitsbaue stationiert, um die Wucht eines möglichen Angriffs abzufangen.
    Eric der Einzige diente der schlagkräftigen Truppe als Jungkrieger. Heute war er noch ein Anfänger, ein Bote und Träger für bewährte, erfahrene Männer. Morgen aber, morgen ...
    Es war sein Geburtstag. Morgen trat er seinen ersten Raubzug für die Menschheit an. Wenn er zurückkehrte – und er kehrte bestimmt wieder, denn Eric war flink, Eric war klug –, durfte er den Lendenschurz der Knabenzeit ablegen und den straff sitzenden Lendengurt eines vollwertigen Kriegers tragen.
    Dann stand es ihm zu, im Rat der Menschheit die Stimme zu erheben und stolz seine Meinung zu äußern. Er durfte die Weiber anstarren, so oft und so lange er Lust dazu hatte, und er durfte sich ihnen sogar nähern, um ...
    Mit der Lanze in der Hand, die er für seinen Onkel schärfen mußte, wanderte er ans Ende der Höhle. Dort hinten begann der Weiberbau. Mehrere Mitglieder der Weibergesellschaft bereiteten das Essen, das am selben Tage aus der Speisekammer der Bestien gestohlen worden war. Jede Zauberformel mußte gewissenhaft gesprochen, jede Beschwörung richtig gemurmelt werden. Anders eigneten sich die Lebensmittel nicht zum Genuß. Sie mochten sogar gefährlich sein. Die Menschheit durfte sich wahrlich glücklich schätzen: ausreichende, jederzeit greifbare Verpflegung und Frauen, die das Essen mit ihren Zauberformeln genießbar machten.
    Und was für Frauen – Prachtgeschöpfe!
    Zum Beispiel Sarah, die Gesundmacherin, mit ihrem unerschöpflichen Wissen von geeigneter und giftiger Nahrung. Ihr einziges Bekleidungsstück war ein Wust von Haaren, der abwechselnd ihre Hüften und Brüste – die üppigsten der gesamten Menschheit – bedeckte und enthüllte. Das war ein Weib! Sie hatte schon mehr als fünfmal geworfen, zwei ihrer Würfe hatten die Maximalgröße erreicht!
    Aber sie war die Frau eines Truppenführers und stand haushoch über ihm. Ihrer Tochter allerdings, Selma der Weichhäutigen, war seine Aufmerksamkeit vermutlich willkommen. Sie trug ihr Haar noch in einem schweren Knoten aufgesteckt. Es dauerte sicher noch ein Jahr, ehe die Weiber sie als Jungfrau anerkannten und ihr erlaubten, ihre Blöße unter dem wallenden Haar zu verbergen. Nein, sie war viel zu jung und unbedeutend für einen Mann, der knapp vor seiner Ernennung zum Krieger stand. Sein Blick fiel auf ein anderes Mädchen. Sie hatte ihn schon seit längerem beobachtet und hinter züchtig niedergeschlagenen Augen heimlich mit ihm kokettiert. Es war Harriet, die Geschichtenerzählerin, die älteste Tochter Ritas der Schatzhüterin, die eines Tages das Amt ihrer Mutter übernehmen würde. Sie war ein sehr hübsches, schlankes Ding, dessen Haar bereits offen herabwallte, wie es einer vollwertigen Frau zustand.
    Eric hatte öfters bemerkt, daß sie ihm heimlich schöne Augen machte, besonders in den letzten Wochen, da der Termin für seinen Raubzug näher rückte. Allerdings war Harriet rothaarig, was nach altem Glauben der Menschheit Unglück verhieß. Sicher fand sie deshalb nicht so leicht einen Mann. Aber seine Mutter war ebenfalls eine Rothaarige gewesen.
    Immerhin war Harriet die Geschichtenerzählerin für ihr Alter bereits ein wichtiges Mitglied ihres Stammes. Und hübsch obendrein. Und vor allem wandte sie sich nicht von ihm ab. Sie lächelte ihm jetzt unverhohlen zu, und er erwiderte ihr Lächeln.
    »Nun seht euch mal den Eric an!« rief jemand hinter ihm. »Sucht sich bereits eine Gespielin. He, Eric! Du trägst noch nicht mal den Gurt. Zuerst der Raubzug, dann die Paarung!«
    Rasch drehte Eric sich um.
    Eine Schar junger Männer hockte schwatzend an der Wand der Höhle seiner Truppe. Jeder von ihnen hatte seinen Raubzug schon hinter sich. Dadurch waren sie ihm rangmäßig überlegen. Er konnte ihnen nur mit kalter Würde begegnen.
    »Das weiß ich«, begann er. »Keine Paarung vor ...«
    »Manche Leute werden nie zugelassen«, fiel einer der Burschen ihm ins Wort. »Selbst wenn du gestohlen hast, mußt du eine Frau erst von deiner
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