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Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Titel: Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
Autoren: Daniil Charms
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mümmelt wie ein Kaninchen. Jetzt ist die Zeit gekommen, um zu sagen, dass nicht nur hinter Nikolai Iwanowitsch, sondern auch vor ihm, sozusagen vor seiner Brust und überhaupt um ihn herum nichts ist. Die vollkommene Abwesenheit jeglicher Existenz, oder wie es mal einer scharfsinnig formulierte: die Abwesenheit jedweder Anwesenheit.
    Doch wir wollen uns nur für die Spirituose und Nikolai Iwanowitsch interessieren.
    Stellen Sie sich vor, Nikolai Iwanowitsch äugt in die Flasche mit der Spirituose hinein, dann führt er sie an die Lippen, kippt die Flasche mit dem Boden nach oben und trinkt, man stelle sich bitte vor, die ganze Spirituose aus.
    Donnerwetter! Nikolai Iwanowitsch hat die Spirituose ausgetrunken und mit den Augenlidern geklappert. Nicht schlecht! Wie er das hingekriegt hat!
    Wir müssen jetzt aber Folgendes sagen: Eigentlich war nicht nur hinter Nikolai Iwanowitsch oder vor ihm und um ihn herum, sondern auch in Nikolai Iwanowitsch drinnen nichts, gar nichts existierte da.
    Es kann natürlich so gewesen sein, wie wir gerade gesagt haben, und Nikolai Iwanowitsch selbst kann dabei lustig existiert haben. Das ist natürlich richtig. Aber ehrlich gesagt, hier geht es darum, dass Nikolai Iwanowitsch nicht existiert hat und nicht existiert. Darum geht es.
    Sie fragen: Und was ist mit der Spirituosenflasche? Insbesondere, wo ist die Spirituose hin, wenn Sie ein nicht existierender Nikolai Iwanowitsch ausgetrunken hat? Die Flasche, sagen wir, ist noch da. Aber wo ist die Spirituose? Eben war sie noch da, und plötzlich ist sie weg. Nikolai Iwanowitsch existiert ja nicht, sagen Sie. Wie kann das denn sein?
    Hier verlieren wir selbst den Überblick und können nur noch Vermutungen anstellen.
    Übrigens, was reden wir da? Wir haben doch gesagt, dass weder innerhalb noch außerhalb von Nikolai Iwanowitsch etwas existiert. Da aber weder außerhalb noch innerhalb etwas existiert, bedeutet das, auch die Flasche existiert nicht. Richtig? Andererseits, beachten Sie Folgendes: Wenn wir sagen, dass weder innerhalb noch außerhalb etwas existiert, stellt sich die Frage: innerhalb und außerhalb von was? Irgendetwas existiert offenbar doch? Vielleicht aber auch nicht. Wenn dem so ist, warum sprechen wir dann von außerhalb und innerhalb? Nein, dies ist eindeutig eine Sackgasse. Und wir wissen selbst nicht, was wir sagen sollen.
    Auf Wiedersehen.
    Schluss.
     
    Daniil Dandan
     
    18. September 1934
     
     
    Ein Anstreicher stieg in seine Gondel und sagte: »Zieht mich bis zu der Kerbe da oben hoch und stopp.« Petrow und Komarow griffen sich das Seil.
    »Und ab die Post!«, sagte der Anstreicher, und die Gondel tat einen Satz in die Höhe.
    Der Anstreicher stieß sich mit den Füßen von der Wand ab.
    Die Gondel mit dem Anstreicher pendelte von der Wand weg und wieder zurück. Der Anstreicher stieß sich erneut mit den Füßen von der Wand ab.
    Petrow und Komarow zogen am Seil. Mal Petrow, mal Komarow. Während der eine zog, hielt der andere für alle Fälle das lose Ende des Seils fest.
    Der Anstreicher schwebte immer weiter in die Höhe.
    Im Erdgeschoss war ein Kooperativladen.
    Der Anstreicher stieg bis zum Ladenschild hoch und stützte sich mit dem Fuß am Buchstaben O ab.
    In dem Moment hängte sich Komarow an das Seil, und die Gondel mit dem Anstreicher kam vor einem Fenster im ersten Stock zum Stillstand.
    Der Anstreicher zog die Beine an, um nicht die Fensterscheibe einzutreten, aber in dem Moment hängte sich Petrow an das Seil, und der Anstreicher fand sich vor der Wand zwischen erstem und zweitem Stock wieder. An der Wand stand mit Kreide: »Wanja und Natascha sind doof«.
    »Nicht zu fassen!«, sagte der Anstreicher und schüttelte den Kopf. »Bis hier rauf haben es diese Lümmel geschafft!«
    Aber da hängte sich wieder Komarow an das Seil, und der Anstreicher erblickte vor sich ein offenes Fenster und dahinter ein Zimmer. Im Zimmer standen zwei Männer, der eine im Jackett und der andere wohl ohne Jackett. Derjenige mit Jackett packte denjenigen ohne Jackett und würgte ihn.
    Aber in dem Moment hängte sich Petrow an das Seil, und der Anstreicher erblickte vor sich einen rostigen Fenstersims.
    »Halt!«, schrie der Anstreicher. »Zurück!«
    Petrow und Komarow warfen den Kopf in den Nacken und sahen zum Anstreicher hoch.
    »Was guckt ihr so! Runter! Aber dalli! Da in dem Zimmer wird einer erwürgt!«, schrie der Anstreicher und trat mit einem Fuß in das offene Fenster.
    Hastig hängten sich Petrow und Komarow
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