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Treibland

Treibland

Titel: Treibland
Autoren: Till Raether
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war niemandem Rechenschaft schuldig außer diesen beiden. Müde setzte er sich ins kalte Leder seines Schreibtischsessels und zog die unterste Schublade links auf, in der die Wehrmachtspistole lag, die sein Vater im Haus versteckt hatte, bevor ihn die Engländer abgeholt hatten.

Epilog
    Sie ließen Danowski nicht zu seinen Kindern, sie ließen ihn nicht zu seiner Frau. Leslie, getrennt von ihm. Hinter der Glasscheibe. Daneben Martha und Stella, wie aufgereiht. Er durfte sie nicht berühren, er durfte sich nicht auf sie werfen, sie nicht begraben unter Küssen.
    Er stand an der Scheibe in seiner sterilen Umgebung und hob die Hand, als wollte er seiner Frau und seinen Töchtern zuwinken. Ihre Augen waren starr, abwesend, sie sahen ihn nicht, Martha schien zu schlafen.
    Dann hob Stella auf ihrem Plastikstuhl den Blick von ihrem Nintendo  DS , und er sah, wie es in sie fuhr: Ihr Vater war da, geräuschlos aufgetaucht hinter der dicken Scheibe wie ein Geist in sterilem Hellgrün. Leslie ließ ihr Handy sinken, und Martha warf sich gegen die Scheibe, gespielt oder wirklich im Versuch, zu ihm durchzubrechen, wer wusste das bei einer Fünfjährigen. Leslie weinte nie, aber jetzt vielleicht sogar fast. Tülin Schelzig, unbeeindruckt, zog Martha von der Scheibe weg, aber es sah sanfter aus, als Danowski ihr zugetraut hätte. Sie versuchten, miteinander zu reden durch die Gegensprechanlage, und es wurde eine Parodie von Nähe daraus, die schön war.
    Und am Ende kehrte Danowski zurück in seine seltsame WG , in der sie zusammen wohnten, aber doch getrennt voneinander waren. Alle, die mit ihm Kontakt gehabt hatten, nachdem er vom Schiff gesprungen war.
    Wolka Jordanova, die, statt nach ihrem Telefonat mit Behling an der Tankstelle auf die anderen Beamten zu warten, zurückgelaufen war zum Clubhaus. Weil sie jetzt wusste, dass Danowski wirklich zur Polizei gehörte. Sie hatte sich mit der Harke bewaffnet, mit deren Hilfe Danowski sie eingesperrt hatte, und sie hörte schon von weitem, wie Peters ihr im Dunkeln entgegenkam. Sie brauchte nur einen Schlag, um ihn zu Fall zu bringen.
    Peters, natürlich. Quarantäne war Quarantäne: Hier kam sowieso keiner raus, aber Peters’ Rolle in dem, was die Presse Elbkomplott oder Pestkomplott nannte, verursachte immerhin, dass die Quarantänestation und alle Ausgänge des Tropeninstituts zusätzlich von Schutzpolizisten bewacht wurden. Peters bekam viel Besuch von seinen Anwälten. Wahrscheinlich war er dabei, Steenkamp und Lorsch im Nachhinein zu den Hauptverschwörern zu machen. Danowski war es egal. Er hatte seine Arbeit getan. Und Steenkamp würde sich gegen nichts mehr wehren. In der Nacht, als Danowski Peters gezwungen hatte, ins Clubhaus zu kommen, hatte Peters ihn angerufen und ihm gesagt, die Polizei hätte sein Video. Gegen vier Uhr morgens fand ihn das MEK allein in seinem Arbeitszimmer, rund zwei Drittel seiner Gehirnmasse über die Wand und das Bild seiner Kinder verteilt, eine alte Wehrmachtspistole, für die er einen Sportschützenschein besaß, in seiner rechten Hand, die schwielig war vom Golfspielen. Seine Kinder, an denen er vor über dreißig Jahren einen neuen Impfstoff gegen virale Infektionen ausprobiert hatte, nachdem er sie zuvor infiziert hatte, und die gestorben waren an den Nebenwirkungen oder der eigentlichen Infektion. Das würden die Ergebnisse der Obduktion ergeben, und Danowski war froh, dass er nicht bei der Exhumierung dabei sein musste. Jeder hasste Exhumierungen, außer den zu Exhumierenden, denen waren sie egal. Und er war froh, dass er den Rest des Videos nicht gesehen hatte.
    Nichts drauf, sagte Behling. Nur ein paar Kinder, die von ihrem Vater geimpft wurden. Schrecklich, sagte Behling, war das nur, wenn man wusste, wie es ausgegangen war. Und der Alte hatte es ja nur gut gemeint. Und am Ende wohl gutmachen wollen, indem er sich einbildete, die Welt gegen Ebola und andere Filoviren impfen zu können.
    Kathrin Lorsch, deren Yacht die Wasserschutzpolizei auf Höhe Glückstadt angehalten hatte. Sie hatte wegfahren wollen, den Kopf freikriegen und so weiter, noch in der gleichen Nacht, nachdem sie Danowski in Teufelsbrück abgesetzt hatte. Jetzt saß sie hier fest mit ihm, und wenn sie miteinander sprachen durch eine andere Scheibe, dann sagte sie, über Steenkamp müsste man Kunst machen. Einen neuen Fetisch, das Bild von einem, der die Welt zerstört, die er retten will. Dann nickte Danowski und merkte, dass er fertig war damit. Durch seine Flucht vom
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