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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und diese unter Mariannes blonde Haare schob. Dann wuchtete er einen schweren Lederkoffer auf den Gang. Seine letzte Habe. Der Erlös von vierzehn Jahren. Dreißig Pfund Gepäck. Was er sich in den Jahren angeschafft hatte an Möbeln, Teppichen, Bildern, Büchern … es blieb in Hamburg zurück. Prof. Heberach hatte es schon angedeutet: Es gehörte alles meiner Tochter. – Warum auch noch um diese Dinge streiten?
    »Wie soll ich Ihnen danken?« fragte Marianne Steegert. Ihre Kehle war plötzlich zugeschnürt. Die Stimme klang klein und kindlich. Draußen rauschte der Rhein vorbei. Breit, schmutzig, trotz der Sonne und der weißen Ausflugsschiffe. Im Sonnenglast zitterten die Domtürme. Die Brücken. Die neuen Hochhäuser Kölns. Nur noch Minuten … und man sah sich nie wieder.
    Nie mehr?
    »Werden Sie schnell gesund und geben Sie Ihren Patientinnen wie bisher ihre entgleitende Schönheit wieder. Heilen Sie Ehen durch Kräuterpackungen.«
    »Warum sind Sie so ekelhaft? Warum geben Sie sich so? Sie sind gar nicht so muffelig.« Marianne richtete sich auf. Der Zug donnerte über die Hohenzollernbrücke. Nur noch zwei Minuten bis zum Kölner Hauptbahnhof. Sie nestelte aus ihrer Handtasche eine Visitenkarte heraus und hielt sie Lorentzen hin. »Schreiben Sie mir einmal?« fragte sie mit zusammengepreßter Kehle. »Oder kann ich Ihnen schreiben?«
    »Ich habe noch keine Adresse in Köln. Ich komme dort an wie Kolumbus in Amerika.« Er nahm die Visitenkarte und las sie: »Marianne Steegert. Kosmetische Kurklinik ›Almfried‹. St. Hubert.« Der Zug donnerte unter das riesige Glasdach der Kölner Bahnhofshalle. »Ich werde mich erkundigen, wie es Ihnen geht«, sagte er. »Bis München noch viermal kühlen. Und dann zum Arzt. Und nicht unnötig bewegen. Auf keinen Fall, wenn Sie hüpfen, versuchen, mit dem Fuß aufzutreten. Versprechen Sie mir, ganz brav zu sein?«
    »Ganz brav, Onkel Doktor.« Sie sahen sich tief in die Augen, und zum erstenmal flog ein offenes Lächeln über die Züge Lorentzens. Es verjüngte ihn um Jahre.
    Wie mein Herz klopft, dachte Marianne. Mein Gott, sei doch ruhig, Herz. Was soll das denn? Wir sehen uns nie wieder …
    »Gute Fahrt!« sagte Lorentzen.
    »Viel Glück!« sagte Marianne.
    Dann hielt der Zug, Türen klappten, Rufen und Lärm; Gepäckträger drängten sich durch den Gang.
    Marianne richtete sich auf, so gut es ging und sah aus dem Fenster. Dr. Lorentzen war gerade ausgestiegen, und auch er blickte zurück. Noch einmal trafen sich ihre Blicke. Er hob die Hand und winkte, und sie winkte zurück. Dann wurde er mitgerissen mit der Woge der Reisenden, die zu den Treppen drängte.
    Die Schönheitsfarm ›Almfried‹ lag so idyllisch, wie man es sonst nur auf ›frisierten‹ Prospekten sieht, die mehr anbieten, als man später erleben kann. Hier aber war der seltene Fall, daß alle Fotos nicht den Zauber wiedergeben konnten, der von diesem Fleckchen Erde ausging.
    Man stelle sich ein kleines Seitental vor, durchzogen von einem immer rauschenden Wildbach. Der Ort St. Hubert liegt im Haupttal, und nur die Kirchenglocke am Sonntag ist von ihm zu hören. Sanft steigen Wiesenhänge bis zu den Hochwäldern empor, hinter denen erst die schroffen Felsen beginnen. Und hier, zwischen Wald und Bach, auf einem flachen Hügel, der Sonne entgegengehoben wie auf einer göttlichen Hand, liegen die beiden, im Winkel aneinandergebauten Häuser von ›Almfried‹. Häuser im oberbayerischen Stil, mit Schindeldächern und geschnitzten Balkongittern, mit Blumenkästen voller Blüten und Schlagläden, mit Terrassen und bunten Sonnenschirmen. Ein Schwimmbad, blau gekachelt. Drum herum Wiesen und Blumenbeete. Ein Minigolfplatz. Wege zwischen Tannengruppen. Ein Springbrunnen mit zierlichen, weißgelackten Boulevardstühlen und Tischchen. Ein Hauch Paris in Oberbayern.
    Wer sich hier nicht erholen kann, wer hier nicht fühlt, daß Jungsein nichts anderes ist als erlebte Lebensfreude, den wird kein Wässerlein, kein Pülverchen, kein Cremchen mehr heilen. Hier muß das Herz mitmachen. Hier kann man Sehnsucht tanken. Hier nährt die Hoffnung die Seele.
    Und das Ganze kostet pro Woche und Person rund 700 Mark. Mit Kurtaxe, Trinkgeldern und Diät. Und einem Zimmer, hübsch wie eine Puppenstube, nach Süden, der Sonne entgegen.
    »Du bist verrückt! Du bist knatsch verrückt!« sagte Ilse Patz und stupste Marianne in die Seite. »Sind wir noch achtzehn Jahre und himmeln einen Filmstar an?!«
    Ilse Patz war genau das
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