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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lief und mit dem Tamburin den Rhythmus angab, standen meist vom Hotel ›Kaiserhof‹ die männlichen Kurgäste am Zaun und starrten sie an wie ausgesperrte Hunde. Aber hier kam sie sich vor wie aus Holz. Ihre schönen Beine nahm er nicht zur Kenntnis, über ihren Busen sah er hinweg. Ihn interessierte die flache Landschaft vor dem Zugfenster mehr.
    »Dr. Lorentzen?« sagte sie deshalb, als wäre sie sehr erstaunt. »Oh, ich habe von Ihnen einige Artikel in der ›Medizinischen Praxis‹ gelesen.«
    Hoffentlich stimmt das, dachte sie. Man kann sich immer herausreden mit Namensgleichheiten.
    Dr. Lorentzen sah kurz zu Marianne hinüber. »Sie lesen diese Zeitschrift?«
    »Ab und zu. Ich bin Kosmetikerin. Ich habe in den Alpen ein Kur-Sanatorium.«
    »Ach! Wohl eine sogenannte Schönheitsfarm?«
    »Das klingt sehr abfällig, Dr. Lorentzen.« Marianne Steegert sah an ihm vorbei. Sie fuhren durch einen Wald. Die Bäume waren dicht vor ihrem Fenster. »Aber wenn Sie so wollen: Ja. Ich mache Frauen glücklich.«
    »Können Frauen überhaupt glücklich sein?«
    Das klang bitter. Dr. Lorentzen wandte sich wieder ab und starrte aus dem Fenster. Was ist Glück, dachte er. Wie schnell es vergeht, wer weiß das besser als ich? Da hat man gearbeitet wie ein Pferd vor dem Pflug, da hat man sich einen Namen gemacht – und in einer Nacht war das alles vorbei. Nun ist man ein akademischer Landstreicher. Ein Wanderbursche, randvoll mit Bitterkeit.
    »Mir scheint, Sie hassen die Frauen«, sagte Marianne. Es wurde warm im Abteil und sie versuchte, den Trenchcoat auszuziehen. Dr. Lorentzen half ihr dabei, stützte ihren Oberkörper, zog den Mantel von ihren Schultern und legte sie dann auf die Polster zurück. Die Berührung seiner Hände durchrann sie prickelnd. Auch dann, als er sich neben sie hockte und wieder den Fuß betastete, das kognakgetränkte Handtuch hochhob und die Schwellung untersuchte, empfand sie keinen Schmerz mehr, sondern nur das merkwürdig süße, schwere Gefühl von tiefster Zufriedenheit.
    Du bist blöd, sagte sie sich. Marianne, du bist kindisch. Für diesen Mann bis du eine Null. Schönheitsfarm! Wie er das Wort im Mund zerkaute. Verächtlicher geht es nicht. Der typische überhebliche Mediziner und Kliniker.
    »Warum sollte ich die Frauen hassen?« Dr. Lorentzen setzte sich wieder an seinen Platz.
    »Sie benehmen sich so, als hätten Sie Schweres durchgemacht.«
    »Ich bitte Sie.« Das Lächeln Dr. Lorentzens war verzerrt. »Muß man zum Wimpernzupfen auch Psychologie studieren?«
    »Ja! Denn die Veränderung eines Gesichts verwandelt auch die Seele.« Marianne sah hinauf zu ihren beiden hellen Schweinslederkoffern. »Ich muß Sie leider wieder belästigen, Herr Doktor, da ich auf ärztlichen Rat mich nicht bewegen darf: Würden Sie mir den linken Koffer herunterholen? Ich möchte ein Buch herausnehmen. Dann haben wir beide wieder unsere Welt … Sie die Landschaft, und ich einen verlogenen Roman …«
    »Verzeihen Sie, gnädige Frau.« Dr. Lorentzen blieb sitzen und holte den Koffer nicht aus dem Netz. »Ich weiß, ich bin unhöflich. Aber es wäre noch unhöflicher, Erklärungen für meine Stimmung abzugeben und Sie mit meinen Problemen zu belästigen. Ich will mich bemühen, solange wir zusammen reisen …«
    »Nein.« Marianne schüttelte den Kopf. Die blonden Haare flogen um ihren schmalen Kopf. Der zusammengefaltete Mantel verlor seine Form als Kopfstütze. Dr. Lorentzen beugte sich vor und drückte ihn zurecht. Als er die Hand zurückziehen wollte, griff sie zu und hielt sie fest. »Sie haben mir geholfen, Herr Doktor. Ich habe nur den Fuß verstaucht, und nun kühlt er mit Ihrem Kognak. Sie haben sich die Seele verstaucht … da hilft kein Kognak.«
    »Sie reden wie der alte Freud.« Dr. Lorentzens Lächeln war voller Bitterkeit. »Eine so junge, hübsche Frau ist kein Beichtstuhl. Man sollte Ihnen von den Schönheiten des Lebens erzählen.«
    »Was glauben Sie, wie viele Beichten ich schon gehört habe. Von Ehefrauen, die an sich zweifelten. Von Betrogenen, die zu mir kommen, um zwanzig Jahre jünger zu werden, weil ihre Männer sich an ihnen satt gesehen haben. Jeden Tag habe ich entblößte Seelen vor mir … sie liegen frei, während das Gesicht eine Druckmassage erhält, der Körper in einem Milchbad liegt oder mit Ozon besprüht wird. Unter der kosmetischen Maske öffnen sich nicht nur die Poren.«
    »Soll ich mir jetzt von Ihnen eine Gurkenscheibe aufs Gesicht legen lassen?« Die Stimme Dr.
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