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Treffpunkt Unendlichkeit

Treffpunkt Unendlichkeit

Titel: Treffpunkt Unendlichkeit
Autoren: John Brunner
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zu dumm, um das richtig zu deuten«.
     
    *
     
    In sicherer Entfernung vom Eingang Des Marktes standen drei Kultanhänger mit einem tragbaren Altar. Einer von ihnen hinkte, einer hatte den rechten Arm in der Schlinge, und der dritte litt an einem nervösen Kopfzucken. Eine Leuchtröhre brannte am Altar und warf einen grünlichen Schimmer über die Stöße von Schriften mit Titeln wie Kein Handel mit Tacket! oder Wer trug die Schuld am Weißen Tod? Ein riesiges Abbild von Tacket ragte über der Leuchtröhre auf. Das Gesicht war mit Nägeln gespickt. Der Humpelnde kreischte mit hysterischer Stimme Verwünschungen und machte nur hin und wieder halt, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
    Um die Gruppe hatte sich ein freier Raum gebildet; diejenigen, die dahineilten, gingen noch etwas schneller, und die anderen, die nur umherschlenderten, zogen sich diskret um ein paar Meter zurück. Obwohl die Kultanhänger ihren Einfluß allmählich verloren, waren sie noch in der Lage, bei manchen Leuten ein schlechtes Gewissen hervorzurufen.
    Die Menge mied auch Luis Nevada, und es jagte ihm Angst ein, denn er konnte sich nicht verstecken, wie er es beabsichtigt hatte. Hier auf den Straßen vor Dem Markt fiel er auf, als trüge er einen Heiligenschein, als sei er ein Mensch ohne Schatten, als befänden sich Hunderte von Menschen in der Menge, die sein Geheimnis kannten und verbreiteten. Einige neugierige Blicke trafen ihn. Immer gab es Männer und Frauen, die ihm aus dem Wege gingen, als sei er in Begleitung eines unsichtbaren Leibwächters. Weshalb? War es Athlone irgendwie gelungen, ihn zu …
    Zwecklos. Er war ein Mann mit einem Gesicht inmitten einer gesichtslosen Menge.
    Er warf einen Blick auf die Uhr an der Wand Des Marktes. Seine Handflächen waren feucht. Der Zeiger rückte auf zwölf und weiter, und er befand sich immer noch in einem Alptraum. Er lebte nun seit zwei Monaten inmitten des Pöbels; er hatte geglaubt, daß er nicht auffallen würde, wenn er endlich an die Öffentlichkeit trat. Statt dessen stach er klar von den anderen ab. Er besaß gute Nerven, aber auch der ruhigste Mann läßt sich nicht fortwährend anstarren.
    Vielleicht hätte er seine ursprünglichen Pläne durchführen sollen, anstatt sich ganz auf Erlkings Wort zu verlassen.
    Aber im gleichen Moment wußte er, daß er das nicht ertragen hätte. Er hatte nur die Wahl zwischen Erlkings wirrem Versprechen – und Selbstmord.
    Wann wollte dieser Bastard Lyken endlich herauskommen?
     
    *
     
    Tausend Stockwerke über der Stadt saß Ahmed Lyken in einem Sessel mit hoher Lehne, umgeben von sechs riesigen Leibwächtern, die mit keinem Muskel zuckten. Lyken las sein persönliches Schicksal in glitzernden harten Augen. Er hatte natürlich gewußt, daß es so kommen würde. Wenn man in alten Zeiten Kriegsgericht hielt, pflegte man bei der Urteilsverkündigung ein Schwert auf den Tisch zu legen. Wies die Spitze auf den Angeklagten, so hatte man ihn für schuldig befunden; lag der Griff auf seiner Seite, dann war er frei.
    Man konnte sich nicht vorstellen, daß Manuel Clostrides, der Hohe Herr Des Marktes, mit einem Schwert hantierte. Aber seine Botschaft war ebenso klar.
    Noch einmal streiften Lykens Blicke durch das Zimmer und betrachteten die Dinge, die Clostrides in letzter Zeit von Gönnern erhalten und in seinem großen Büro ausgestellt hatte. Eine hohe Kupfervase mit grünen und rostbraunen Blüten, jede so groß wie der Kopf eines Mannes. Die Ebenholzstatue einer gebärenden Frau in Lebensgröße. Einen Naturfelsen, der an die zweihundert Pfund wog: weißer Quarz mit feinen Goldadern durchzogen.
    Gewöhnlich pflegte Clostrides eines von Lykens Geschenken auszustellen, wenn er ihn empfing. Aber heute hatte er es nicht getan.
    Lykens Blick streifte ohne Eile Clostrides’ rundes, blasses Gesicht mit der dunklen Haarmähne. Der Mann trug einfache, dunkle Kleider, und nur die juwelengeschmückten Statussymbole verrieten seine Macht. Er saß wie ein Richter in seinem hohen Sessel. Irgendwie hätte Lyken es vorgezogen, wenn sich auf dem bleichen Gesicht Spott widergespiegelt hätte, Spott oder sonst eine Regung, daß es dem Mann persönliche Befriedigung bedeutete, einem anderen Macht und Einfluß zu rauben.
    Endlich fand Lyken die Sprache wieder und bereitete eine Antwort auf Clostrides’ Worte vor.
    »Sie drohen also, mein Handelsterritorium neu zu besetzen. Darauf läuft es letzten Endes hinaus, nicht wahr?«
    »Ich drohe nicht, Ahmed – ich
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