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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard
Autoren: Ulrich Schreiterer
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Studiengängen
     oder maßgeschneiderten Weiterbildungsangeboten glänzende Geschäfte machen. Doch die große Mehrzahl der privaten Hochschulen
     arbeitet nicht
for-profit
*
,
sondern ist als gemeinnützig anerkannt und von der Steuerpflicht befreit. Mit ihren Aktivitäten in Forschung, Lehre und Wissenstransfer
     wollen sie keine finanziellen Gewinne erzielen. Ihr Geschäft ist die Pflege der Wissenschaften und
higher education
im weitesten Sinne. Im amerikanischen Kontext bedeutet das, in das Prestige einer Hochschule zu investieren und ihre Reputation
     zu stärken: Das sind die Währungen, mit denen die Hochschulwelt rechnet. In der Aufholjagd um vordere Rankingplätze und im
     Kampf um die besten Professoren und Studienbewerber scheuen die einzelnen Einrichtungen weder Kosten noch Mühen. Um erfolgreich
     zu sein, müssen sie ihre Mitbewerber, den Markt und ihren Platz darin gut kennen und vor allem wissen, was zu tun ist, um
     ihn zu behaupten oder auszubauen. So lautet die Devise:
market smart
sein, aber
mission centered
bleiben (Zemsky u.a. 2005). Betriebswirtschaftliche Kalküle spielen nur insoweit eine Rolle, als sie zur Erreichung dieser
     Ziele beitragen – und »to make a profit« gehört nun einmal nicht dazu. Gegenüber dem mächtigen Drang zur Statuspflege wird
     Effizienz zweitrangig (Brint 2005).
    Auch über das Management amerikanischer Hochschulen kursieren viele Stereotype, die mit der Realität nur wenig zu tun haben.
     US-Universitäten, heißt es oft, würden dank mächtiger Aufsichtsräte (
boards of
trustees
*) und weitreichender Kompetenzen ihrer Präsidenten und Administratoren so straff und effizient geführt wie Unternehmen der
     Wirtschaft. Doch teils aus Prinzip, teils aus historischen Gründen sind die meisten privaten Forschungsuniversitäten und Colleges
     ausgesprochen dezentral organisiert, ihre Entscheidungsverfahren und -abläufe häufig schwerfällig und intransparent. Zwar
     geben nicht unbedingt professorale Kapellmeister den Takt an, doch in allen wichtigen Fragen behält die
faculty
* das letzte |23| Wort. An ihrem Veto führt kein Weg vorbei. Jeder Hochschulpräsident ist gut beraten, nicht an den Professoren seiner Hochschule
     vorbei oder gar gegen sie zu regieren, sondern sie so weit einzubinden, wie es irgend geht. Konflikte um die Amtsführung ruppiger
     Präsidenten und Misstrauensvoten der
faculty
gegen ihre Hochschulleitung sind nicht gerade selten. Manch ein Präsident musste das Handtuch werfen, weil sein
corporate style
auf wenig Gegenliebe stieß. Wie delikat die Balance zwischen Hochschulspitze und Professoren ist, zeigte sich in der spektakulären
     Revolte von Harvards
faculty of arts and sciences
* gegen Präsident Larry Summers, die ihn im Sommer 2006 zum Rücktritt von der Spitze dieser Mutter aller Elite-Unis zwang.
    Wenn die Entscheidungsstrukturen amerikanischer Hochschulen, privater wie öffentlicher, auf den ersten Blick schlanker wirken
     als die der akademischen Selbstverwaltungsoasen deutscher Universitäten, dann kann das leicht darüber hinwegtäuschen, dass
     die Entscheidungsprozesse dort nicht immer schneller und weniger intransparent verlaufen. Ein Blick auf die große Zahl hauptamtlicher
     akademischer Managementposten, Komitees und Regularien in jeder privaten Hochschule genügt, um daran zweifeln zu lassen, ob
     sie wirklich freihändiger und effektiver geführt werden als öffentliche Hochschulen, deren Arbeit auch in Amerika einer erschreckenden
     Fülle von Verwaltungsvorschriften unterliegt. In den herausragenden Forschungsuniversitäten, egal ob privat oder staatlich,
     führt jedenfalls nicht der Finanzvorstand (CFO) mit knallharter Kosten-Leistungs-Rechnung das Szepter.

23
    28
    23
    28
    false
Unterschiede – Ein Blick aus der Vogelperspektive
    Wir sehen: Wer bereit ist, sich auf die neue Welt und ihre Spielregeln einzulassen, kann viele Überraschungen erleben –
for better or worse
, wie es so schön heißt. Vertrautheit mit akademischen Gefilden und Gebräuchen hilft dem Besucher leider nicht immer, sich
     einen Reim darauf zu machen. Übersetzungsprobleme zwischen verschiedenen Kulturen und sozialen Praktiken kennt man aus vielen
     Bereichen. Sie sind keineswegs typisch für Hochschulen oder Bildungseinrichtungen. Die Fabriken eines Automobilkonzerns zum
     Beispiel funktionieren in Japan »irgendwie anders« als in England oder in den USA, obwohl überall derselbe Wagentyp produziert |24| und derselbe Betriebszweck verfolgt
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