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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard
Autoren: Ulrich Schreiterer
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     Prozent mehr als doppelt so hoch aus (College Board 2007).
    Amerikaner respektieren und schätzen die Institute, die ihnen zu solchen Erfolgen verhelfen können und einen so wichtigen
     Beitrag zum wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wohlergehen leisten. Doch obwohl sich die ganze amerikanische
academy
und selbst winzigste Lehranstalten gern mit prächtigen architektonischen Dekors, prunkvollen Fassaden, eleganten Türmchen
     und parkähnlichen Geländen umgeben und schmücken, ist von Ehrfurcht gegenüber den stolzen Tempeln der Wissenschaft oder akademischer
     Gelehrsamkeit im Alltagsleben der USA kaum etwas zu spüren. Keinem Postangestellten oder Versicherungsvertreter würde eine
     Visitenkarte mit dem Titel »ordentlicher Universitätsprofessor« Respekt abnötigen. Im bürgerlichen Leben verkehrt man ohnehin
     nur per Vornamen, und obwohl manche Universitäten Gehälter zahlen, die aus deutscher Sicht fürstlich anmuten, zählen Professoren
     normalerweise nicht zur großen Gruppe der Besserverdienenden, in der sich in erster Linie Geschäftsleute, Ärzte, Wirtschaftsanwälte
     und Finanzexperten tummeln.
    Trotz dieser Veralltäglichung ähneln amerikanische Hochschulen nur selten jenen grauen, trostlosen Anstalten, wie man sie
     aus Europa kennt. Im Gegenteil. Fast alle legen großen Wert auf ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild, schöne Gebäude und
     Anlagen, gut ausgestattete Hörsäle und plüschige
lounges
für Studenten und Lehrkräfte. Das demonstriert, dass die Einrichtung etwas auf sich hält und ihren Studenten, Professoren
     und Angestellten ein Umfeld bietet, das die hohe Wertschätzung ihrer Aufgaben und Arbeit zum Ausdruck bringt. Amerikanische
     Hochschulen leben, heute mehr denn je, von großen Erwartungen. Im beinharten Wettbewerb um Studienbewerber, Reputation, Fördermittel
     und Sponsorengunst besitzen solche scheinbaren Äußerlichkeiten hohen Signalwert. Ein College, das sich auf dem heiß umkämpften
     Markt zahlungskräftiger Studieninteressenten und Starprofessoren behaupten will, kann sich keine mit Graffiti besprühten Betonburgen,
     von Unkraut überwucherte Wege oder schäbige, ungeputzte und schlecht belüftete Seminarräume erlauben.
    Das pieksaubere, edel getrimmte, bisweilen auch pompöse äußere Erscheinungsbild amerikanischer Hochschulen ist jedoch nicht
     bloß ein plumper Trick aus der Marketingkiste. In den schicken Fassaden spiegelt sich auch und vor allem ein starkes Selbstbewusstein,
     nicht selten sogar expliziter Stolz auf ihre Aufgaben und Tätigkeit (
mission
*) und ihre Leistungen |18| . Bescheidenheit macht sich schlecht – sowohl draußen auf dem Markt als auch drinnen in der
community
. Amerikaner, heißt es oft, sehen sich selber gern als optimistische Menschen. Sie schätzen Tatkraft und können mit Bedenkenträgern
     oder der sprichwörtlichen deutschen
Angst
wenig anfangen. In der Tat lernen sie von klein auf, positiv zu denken, die Menschen und Dinge, denen sie begegnen,
great
und
awesome
zu finden und nicht an allem herumzumäkeln. Dass in einer solchen Kultur auch Hochschulen ein positives Selbstbild ausstrahlen
     müssen, versteht sich von selbst. Darüber hinaus steht das
institutional bonding
, die emotionale Bindung an Bildungseinrichtungen, in den USA überall hoch im Kurs. »Look and feel good«: Dieser simplen Devise
     aus dem Marketing-Handbuch huldigen nicht nur die berühmten und teuren Hochschulen, sondern auch tausende kleine Colleges
     auf dem platten Land. Was deutschen Besuchern als übertriebene, großspurige oder schmalzige Selbstinszenierung vorkommen mag,
     gehört für sie zum kleinen Einmaleins institutioneller Überlebensstrategien
.

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    21
    false
Studienstrukturen
    Die zweite Ent-Täuschung über amerikanische Verhältnisse betrifft die Tatsache, dass hier ganz anders studiert wird, als man
     es aus Deutschland oder sonstwo in Europa kennt. Das Bachelor-Studium an einem College hat seiner Anlage und Ausrichtung nach
     mit dem Fachstudium, wie es
grosso modo
überall sonst auf der Welt üblich ist, wenig zu tun. Während man deutsche Abiturienten zu fragen pflegt,
was
sie studieren wollen, und erst in zweiter Linie wissen will,
wo
und an welcher Hochschule, verhält es sich in den USA genau umgekehrt. Hier zählt vor allem,
wo
man studiert – das heißt, an welche Art von Hochschule man es geschafft hat. Für welches Fach oder welchen Beruf sich die
     hoffnungsfrohen Studienanfänger entscheiden, nachdem
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