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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard
Autoren: Ulrich Schreiterer
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sie die vielerorts sehr hohen Zulassungshürden genommen haben, spielt
     in der Regel zunächst einmal keine oder nur eine geringe Rolle und wird erst im dritten oder vierten Studienjahr relevant.
     Viele Studenten – vor allem solche an den sogenannten Elite-Unis – gehen ziemlich locker mit der Frage nach ihren weiteren
     beruflichen Plänen um. Was ein Hochschuldiplom in der realen Welt Wert ist, hängt viel weniger vom gewählten Fach und den
     Kompetenzen ab, die Absolventen in einem |19| bestimmten Studiengang erwerben sollen, als vom Prestige der Institution, die es vergibt.
    Dieser amerikanische Sonderweg in der Architektur hochschulischer Bildung hat weitreichende Folgen: Er bestimmt die Struktur
     des Studien- und Hochschulsystems, die innere Organisation der Hochschulen und nicht zuletzt die Studienfinanzierung. Unmittelbar
     sichtbar wird er in der organisatorischen Trennung von
undergraduate, graduate
und
professional studies
.
* Jura und Medizin sind klassische
professional studies
, die inzwischen durch einen breiten Kranz anderer wie Pädogogik (
education
),
business administration
,
Teile der Ingenieurwissenschaften und nichtärztliche Gesundheitsberufe (
nursing)
ergänzt werden. Die Studiendauer schwankt zwischen zwei und vier Jahren, und jede
professional school
verleiht ihre eigenen Abschlussgrade – Medizin den
Medical Doctor
(MD), Jura den
Juris Doctor
(JD), Betriebswirtschaft den
Master of Business Administration
(MBA) und so weiter. All diese Fächer kann man nicht grundständig, das heißt direkt nach der Schule, sondern erst dann studieren,
     wenn man ein vierjähriges
undergraduate-
Studium mit dem Bachelor abgeschlossen hat. Das gilt auch für wissenschaftsorientierte
graduate studies
, die entweder zu einem eigenständigen (
terminal
) Master in einem bestimmten Fach oder Studienprogramm oder zu einer Promotion zum
Philosophiae Doctor
(Ph.D.) führen. Nach dem Bachelor müssen die Studenten dafür zunächst noch zwei oder drei Jahre Kurse absolvieren, für die
     manche, aber längst nicht alle Universitäten einen Mastergrad verleihen. Wie schon in der ersten Studienphase, für die sich
     die unspezifische Bezeichnung
College
* eingebürgert hat, entscheiden die Hochschulen auch in berufsorientierten und wissenschaftsorientierten Studienfeldern der
graduate education
nach eigenem Gutdünken und Ermessen über die Auswahl der Bewerber. Je mehr sie ablehnen, desto besser ist das für ihr Prestige,
     denn das signalisiert Qualität.
    Für eine »Hochschulzugangsberechtigung«, wie sie das deutsche Abitur darstellt, ist im amerikanischen Bildungswesen kein Platz.
     Kein College, keine
graduate
oder
professional school
würden einen Zuweisungsmechanismus akzeptieren, der sie zwingt, sich auf das Urteil einer anderen Institution zu verlassen
     oder gesetzlichen Vorschriften über Auswahlverfahren und -kriterien zu folgen. Selber zu entscheiden, wen sie als Studenten
     akzeptieren und wen nicht, versteht man in Amerika als einen Kernbereich der Hochschulautonomie. Der Wettbewerb um Studienbewerber
     und die Zulassungspraxis der Hochschulen sind sehr wichtige Instrumente für ihre Profilierung und qualitative Differenzierung.
     Alle Einrichtungen – ganz |20| gleich, ob in privater oder staatlicher Trägerschaft – hüten dieses Auswahlrecht wie ihren Augapfel. Studienbeweber können
     nur dann gegen einen Ablehnungsbescheid vor Gericht ziehen, wenn sie nachweisen können, dass sie auf Grund sachfremder persönlicher
     Merkmale (dazu zählen insbesondere Hautfarbe, ethnische Herkunft und Geschlecht) zurückgewiesen wurden, weil die Hochschule
     damit gegen Antidiskriminierungsgesetze verstoßen hätte.
    Unterschiede zwischen den USA und Europa zeigen sich aber nicht nur in den Zugangsregeln und in der Struktur des Studiums,
     sondern auch im Verständnis dessen, wie ein richtiges Studium auszusehen hat. Auf dieser Seite des Atlantik hat es sich eingebürgert,
     Hochschulbildung von ihren berufsvorbereitenden Funktionen her zu denken, zu gestalten und zu steuern: Der Abschluss soll
     für einen bestimmten Beruf qualifizieren, das Studium die dafür notwendigen (fach)wissenschaftlichen Grundlagen und Kompetenzen
     vermitteln. Im Vergleich dazu wirkt das Curriculum des
American college
unspezifisch, unwissenschaftlich und luftig. Die beiden ersten Studienjahre sind inhaltlich oft sehr breit angelegt. Sie gelten
     als eine Findungsphase, in der sich die Studenten mit unterschiedlichen
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