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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard
Autoren: Ulrich Schreiterer
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schließlich eine
     Fülle berufsbildender Institute, selbständiger
professional
schools
und privater Online-Anbieter.
    Selbst das fast neurotisch anmutende Prestigestreben vieler Hochschulen steht dieser Offenheit nicht unbedingt im Weg: Auch
     Universitäten und Colleges, die einen höheren Platz in den Rankings anstreben, sind eifrig bemüht, Studenten aus verschiedenen
     sozialen, ethnischen und kulturellen Milieus zu gewinnen, weil sie ihren Bewerberpool verbreitern und ihr Image aufmöbeln
     wollen: Sie demonstrieren damit, dass ihnen die
diversity*
ihrer Studentenschaft wichtig ist, dass sie soziale und kulturelle Schranken überwinden wollen und talentierten, ehrgeizigen,
     hart arbeitenden
kids
sogar dann eine Chance geben, wenn sie die Studiengebühren nicht bezahlen können und in den standardisierten Zulassungstests
     schlechter abschneiden als ihre Konkurrenten aus wohlhabenden, gebildeten Familien. Als Ezra Cornell, Quäker mit einer nur
     minimalen Schulbildung, Zimmermann und erfolgreicher Unternehmer, 1865 die renommierte Universität gründete, die bis heute
     seinen Namen trägt, begründete er diesen Schritt mit einem oft und überall zitierten Satz, der zur klassischen Formel für
     die pragmatische Inklusionskraft amerikanischer Hochschulen werden sollte: »I would found an institution where any person
     can find instruction in any study.«
    Zu den unverbrüchlichen Grundüberzeugungen der amerikanischen Gesellschaft zählt, dass die Vereinigten Staaten ein pluralistisches
     Land sein sollen, das die Vielfalt von Lebensstilen und Überzeugungen seiner Bürger und ihrer
communities
nicht nur achtet, sondern als Stärke versteht und pflegt. Früher und nachhaltiger als anderswo wurden hier Toleranz |28| und Respekt als Basistugenden für ein gedeihliches Zusammenleben in einer Gesellschaft aus Einwanderergruppen, wie sie unterschiedlicher
     kaum sein konnten, und als notwendige Bedingungen für Prosperität und eine gute politische Verfassung des Gemeinwesens akzeptiert.
     Als sich die 13 Gründerstaaten 1776 ein Motto für ihre neue Union zulegten, wählten sie eines, das diese Botschaft in eine
     historische Rückschau und zugleich ein Versprechen künftiger Gemeinsamkeit kleidete: »E pluribus unum!« 8

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    31
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Die Rolle des Staates
    Im Hochschulbereich jedoch kam eine derartige Selbstverpflichtung zur Einheit nie richtig zum Tragen. Während der Staat in
     Europa eine Gesamtverantwortung für die Hochschulen als Teil des Bildungswesens beansprucht und die Aktivitäten privater Anbieter
     kontrolliert, hat eine solche Sicht in den USA nicht Platz greifen können. Anders als im Schulwesen oder im Gesundheitsbereich,
     wo staatliche Regelungskompetenzen akzeptiert und fest etabliert sind, prallten alle Rufe nach einer stärkeren Aufsicht des
     Staates über die Hochschulen bisher noch immer an grundsätzlichen, tief verwurzelten ideologischen Vorbehalten ab. Obwohl
     die große Mehrzahl aller Studenten an staatlichen Hochschulen eingeschrieben ist, obwohl der Bund und die Einzelstaaten den
     Hochschulbereich durch institutionelle Zuwendungen, Stipendien und Forschungsmittel massiv unterstützen und obwohl die Folgeprobleme
     eines ungeregelten
laissez-faire
– hohe Transaktionskosten, Intransparenz, dubiose Geschäftspraktiken – immer wieder Anlass zu Klagen und Rufen nach stärkeren
     Kontroll- und Eingriffsrechten des Staates bieten, blieben staatliche Aufsichtsbegehren stets umstritten und letzten Endes
     politisch nicht durchsetzbar.
    Umfassende Gestaltungs- oder Regulierungsansprüche hätten wegen des verwirrenden Neben- und Durcheinanders von privater und
     öffentlicher Trägerschaft und angesichts kniffliger verfassungsrechtlicher Hürden wahrscheinlich ohnehin nur geringe Durchsetzungschancen.
     Ganz unabhängig davon ist es wichtig festzuhalten, dass US-Hochschulen zu keiner Zeit vordringlich staatlichen Bedürfnissen
     und Interessen dienen sollten. Nicht nur das große Segment privater Einrichtungen war ein staatsfreier Raum und ist es bis
     heute geblieben, sondern in gewisser Hinsicht sogar auch der Bereich öffentlich getragener Hochschulen. Zwar sind manche |29| Einzelstaaten ausgesprochen stolz auf »ihre« Hochschulen und dabei natürlich besonders auf
flagship institutions
* wie Ann Arbor (University of Michigan), Berkeley (University of California), Madison (University of Wisconsin) oder die
     University of Virginia in Charlottesville. Doch nicht eine
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