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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard
Autoren: Ulrich Schreiterer
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platten Ebene anspruchsloser Hochschulen, die deutschen Universitäten nicht das
     Wasser reichen könnten. 1
    Das stimmt. In den USA verteilen sich etwa 18 Millionen Studenten auf knapp 4.400 äußerst heterogene Einrichtungen der tertiären
     Bildung, winzig kleine und riesig große, private und öffentliche, arme und reiche, reine Lehranstalten und exzellente Forschungsuniversitäten.
     Auf das extreme akademische Qualitätsgefälle im amerikanischen Hochschulwesen hinzuweisen gehört inzwischen zum guten Ton.
     Zu einem besseren Verständnis des Neid-Phänomens trägt das aber nur wenig und zur Entzauberung der amerikanischen Idol-Hochschulen
     gar nichts bei.
    Wer nur die Schlagzeilen über Nobelpreisträger und Eliten, sagenhafte Vermögen, Schießereien auf dem Campus oder hoch verschuldete
     Studenten kennt, kann viele Überraschungen erleben, wenn er bereit ist, sich |14| in der amerikanischen Hochschulwelt etwas näher umzuschauen – positive oder enttäuschende, je nach Couleur. Zwischen akademischem
     El Dorado und sozialer Kälte, wissenschaftlichem Ödland und herausragender Exzellenz liegt eine faszinierend bunte Landschaft
     durchweg selbstbewusster, quirliger Institutionen. Doch ein tiefer Graben trennt die akademischen Kontinente auf beiden Seiten
     des Atlantik. Weil auf der amerikanischen so vieles anders ist, tun sich europäische Beobachter häufig schwer damit, deren
     Muster und Spielregeln zu begreifen. Ungewöhnliche Einzelphänomene wie akademische Rituale, der beinharte, ans Pathologische
     grenzende Wettbewerbsdruck, die Faszination bestimmter Teamsportarten oder das gefeierte Alumniwesen bleiben ihnen fremd –
     und irgenwie auch unheimlich. Das betrifft nicht zuletzt die Rolle und den Stellenwert der Hochschulbildung in der amerikanischen
     Gesellschaft.
Higher education
* wird dort von einer Semantik eingerahmt und getragen, die man in Europa kaum antrifft – und die daraus ein mit Erwartungen,
     Hoffnungen und Versprechungen hoch aufgeladenes gesellschaftliches Projekt macht. Das Hochschulsystem und seine Einrichtungen
     verdanken ihr mehr als nur ein eigentümliches Flair und einen »typisch amerikanischen« Grundton. Sie verdanken ihr eine besondere
     Gestalt.
    Dieser Einbettung der Hochschulen in die Kultur und das gesellschaftliche Gewebe der USA nachzuspüren, kommt einer Erkundungsreise
     in einen fremden Kontinent gleich. Mitreisende seien gewarnt: Sie müssen sich von einer Reihe gängiger Klischees und falscher
     Annahmen verabschieden. Erstens kann gar nicht oft und laut genug gesagt werden, dass Harvard nicht alles und nicht alles
     in Amerika Harvard ist. Allerdings gibt es dort sehr viel mehr Hochschulen als in den meisten anderen Ländern, und in der
     Lebenswelt nimmt
higher education
wahrscheinlich einen wichtigeren Platz ein, als es irgendwo sonst der Fall ist. Mit der zweiten Ent-Täuschung verhält es sich
     schon etwas komplizierter. In den USA studiert man nämlich nicht etwa zielstrebiger und schneller als in Deutschland, wie
     oft suggeriert wird, sondern zunächst einmal anders. Vergleiche und die Suche nach
best practices
macht das nicht gerade einfacher. Das dritte Warnschild bezieht sich auf den weit verbreiteten Glauben, amerikanische Hochschulen
     achteten auf ein straffes Kostenmanagement, würden wie Wirtschaftsunternehmen geführt und arbeiteten wesentlich effizienter
     als die behäbigbürokratischen Staatsanstalten in Europa.

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|15| Nicht überall ist Harvard
    Hochschulen sind in den USA allgegenwärtig. Fast jedes Städtchen und jeder Bezirk beherbergt eine Einrichtung der tertiären
     Bildung. Mit wohlklingenden Namen, schicken Logos, schmucken Fassaden und Reklame an Gebäuden oder Bussen, in Zeitungsanzeigen
     und Fernsehspots werben sie um Studenten, Sponsoren, öffentliches Ansehen, das Wohlwollen der Bürger und die Unterstützung
     von Abgeordneten und Unternehmen. 2 Wo keine Hochschule vor der Tür liegt, stehen Online-Anbieter zu Diensten. Um eine hochschulfreie Zone zu finden, muss man
     weit fahren, tief hinein ins zurückgebliebene Hinterland des Kontinents oder in seinen
bible belt
. Die Küsten Neuenglands und Kaliforniens dagegen sind so dicht mit Colleges und Universitäten aller Art gespickt, dass deren
     Namen selbst gut informierten Zeitgenossen nicht viel sagen. Mit den berühmten Anstalten der
ivy league
* haben die meisten nur gemein, dass ihre Aufgabe, und manchmal bedeutet das auch ihr Geschäft,
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