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Trauma

Trauma

Titel: Trauma
Autoren: D Koontz
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sich schon eine Beleidigung darstellte, weigerten wir uns, diesem Mann mit einer Höflichkeit entgegenzutreten, die er nicht verdient hatte. Er wollte ein Spiel mit uns spielen, in dem es darum ging, wer am lautesten brüllte, und das konnten wir genauso gut wie er.
    »In jedem Winkel der Welt«, sagte der Patriarch, »weiß jedermann, wer ich bin.«
    »Zuerst dachten wir, sie wären Benito Mussolini«, sagte ich, »aber dann ist uns klar geworden, dass der nie als Trapezkünstler gearbeitet hat.«
    »Außerdem«, sagte Jimmy, »ist Mussolini seit Ende des Zweiten Weltkriegs tot.«

    »Und Sie sehen nicht ganz so aus, als wären Sie schon so lange hinüber«, spann ich den Faden weiter.
    Virgilio Vivacemente lächelte noch breiter. Dadurch sah sein Lächeln noch weniger wie ein Lächeln aus, sondern eher wie eine Messerwunde.
    Obwohl die straffe Gesichtshaut es unmöglich machte, die Nuancen dieses Lächelns zu deuten, kannte ich den Ausdruck, der in seine Augen getreten war, als Jimmy und ich gesprochen hatten. Er war ein Mensch, der keinerlei Humor besaß. Null, nada, niente.
    Er begriff offenbar nicht, dass wir uns scherzhaft den Ball zugespielt hatten, und weil er unseren Tonfall und unsere Absicht nicht begriff, merkte er auch nicht, dass wir ihn beleidigten. Aus seiner Sicht redeten wir Blödsinn, und er fragte sich wohl, ob wir geistig zurückgeblieben waren.
    »Vor vielen Jahren, als die Flying Vivacementes zu Weltstars wurden«, sagte er mit sonorer Überheblichkeit, »war ich in der Lage, den Zirkus zu kaufen, bei dem ich angestellt gewesen war. Und heute gibt es drei Zirkusunternehmen mit dem Namen Vivacemente, die ständig an allen wichtigen Orten der Welt spielen! «
    » Echte Zirkusse?«, fragte Jimmy mit geheucheltem Argwohn. »Haben die auch Elefanten?«
    »Natürlich haben wir Elefanten!«, erklärte Vivacemente.
    »Einen? Zwei?«
    » Viele Elefanten!«
    »Haben Sie Löwen?«, fragte ich.
    »Ganze Rudel! «
    »Tiger?«, fragte Jimmy.
    »Mehrere Horden Tiger!«
    »Kängurus?«
    »Wieso Kängurus? Kein Zirkus hat Kängurus.«

    »Ohne Kängurus ist ein Zirkus kein richtiger Zirkus«, erklärte Jimmy beharrlich.
    »Lächerlich! Ihr habt keine Ahnung vom Zirkus!«
    »Und wie steht es mit Clowns?«, fragte ich.
    Vivacementes Gesicht wurde völlig starr. Als er antwortete, kam sein Bariton zwischen Zähnen hervor, die aufeinander gepresst waren wie die eines Nussknackers: »Jeder Zirkus muss Clowns haben, um Schwachköpfe und törichte kleine Kinder anzulocken.«
    »Aha«, sagte Jimmy. »Also habt ihr nicht so viele Clowns wie andere Zirkusse.«
    »Wir haben so viele Clowns, wie wir brauchen. Sogar mehr. Es wimmelt bei uns nur so von Clowns. Aber niemand kommt in erster Linie wegen der Clowns in den Zirkus.«
    »Wir, also Lorrie und ich, sind schon das ganze Leben lang verrückt nach Clowns«, sagte Jimmy.
    »Oder ist es vielleicht so«, überlegte ich, »dass Clowns unser ganzes Leben lang verrückt nach uns gewesen sind?«
    »Irgendwer ist da auf jeden Fall verrückt, ganz klar«, sagte Jimmy.
    Vivacemente schwadronierte ungerührt weiter: »Unsere größte Attraktion sind immer die unsterblichen Flying Vivacementes, die größte Zirkusdynastie der Geschichte. Bei allen drei Shows ist jedes Mitglied jeder Trapeztruppe ein Vivacemente, verwandt mit mir durch Blut und durch ein Talent, angesichts dessen schwächere Artisten vor Neid weinen. Von einigen bin ich der Vater, von allen der geistige Vater.«
    Jimmy sah mich an. »Bei einem Mann, der so viel erreicht hat, würde man eigentlich erwarten, dass er stolz und überheblich ist. Aber das ist überhaupt nicht der Fall.«
    »Demütig ist er«, stimmte ich zu, »bemerkenswert demütig.«
    »Demut ist nur etwas für Verlierer!«, donnerte Vivacemente.

    »Das hab ich doch schon mal irgendwo gehört«, sagte Jimmy.
    »Gandhi?«, schlug ich vor.
    Jimmy schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es war Jesus.«
    In Vivacementes Augen schimmerte wieder die Überzeugung, dass wir Vollidioten waren. »Und von allen Flying Vivacementes bin ich der Größte«, sagte er. »Auf dem Trapez bin ich die Poesie in Bewegung.«
    »Das ist echt poetisch«, sagte Jimmy.
    Vivacemente ignorierte ihn. »Wenn ich übers Hochseil schreite, bin ich wie wandelndes Mondlicht, von jeder Frau geliebt, von jedem Mann beneidet.« Er holte Luft, dehnte seine breite Brust und fuhr fort: »Und ich bin reich und entschlossen genug, um immer zu bekommen, was ich will. In diesem Falle bin ich
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