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Trauma

Trauma

Titel: Trauma
Autoren: D Koontz
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Großvater zu sein, ich weise Sie zurück, ja, ich verachte Sie!«
    Die flehentlich zusammengepressten Hände trennten sich abrupt. Sie ballten sich zu Fäusten, aus denen weiß die Fingerknöchel ragten.
    Sinn für Humor hatte Vivacemente zwar nicht, aber dafür eine seltene Fähigkeit zu hassen, die seine Augen zu Messerspitzen werden ließ und sich unmissverständlich in den angespannten Zügen seines kantigen Gesichts ausdrückte.
    Die Stimme des alten Mannes war beißend, seine Worte waren pures Gift: »Konrad Beezo hat nie ein Kind mit irgendeiner Frau gezeugt, die er je aufs Kreuz gelegt hat. Er war die leere Hülle eines Mannes, er war unfruchtbar.«
    Schlagartig fiel mir ein – und Jimmy sicherlich auch –, was Konrad Beezo alias Porter Carson in unserer Küche gesagt hatte, kurz bevor er auf mich geschossen hatte. Er wollte Andy als Wiedergutmachung dafür haben, dass Punchinello wegen uns ins Gefängnis gekommen war. Dabei hatte er nicht gewusst, dass
Jimmy Punchinellos Zwillingsbruder war und Andy sein Enkel. Er hatte nur seinen Ausgleich verlangt, seinen Ersatz. Als ich ihn aufgefordert hatte, sich irgendeine verzweifelte Hure zu suchen, die bereit war, mit ihm ein Kind zu zeugen, da war er zusammengezuckt und hatte mir nicht mehr in die Augen schauen können. Nun wusste ich, warum.
    Dieser gehässige Dreckskerl da vor uns, dieser wandelnde Wurm im Scharlachmantel richtete sich zu seiner vollen Größe auf und verkündete mit irrem Stolz: »Ich wollte das Erbgut des Trapezkünstlers konzentrieren, wie es noch nie geschehen war, und mein Traum wurde erfüllt. Aber sie floh vor mir zu Beezo und verweigerte mir, was mir gehörte. Ja, Natalie war meine Tochter, aber ich bin dein Großvater und dein Vater!«
    Puh!
    Nachdem er sich eben erst an die gruselige Erkenntnis gewöhnt hatte, Konrad Beezos Sohn und Punchinellos Bruder zu sein, musste der arme Jimmy – der liebe Jimmy – nun mit der noch gruseligeren Vorstellung fertig werden, dass er zwar tatsächlich Punchinellos Bruder war, aber außerdem Vivacementes Sohn und Enkel, durch Inzest gezeugt.
    Das ging ja wirklich Schlag auf Schlag.

68
    Eine Bewegung am Rand des Zelts zog unsere Blicke an. Der muskelbepackte Schlägertyp mit den Kobraaugen trat durch den Haupteingang und stellte sich mit weit gespreizten Beinen in Positur, als wollte er einen entlaufenen Elefanten aufhalten. Er war mit einer Schrotflinte bewaffnet.
    Ein zweiter Mann, der genauso furchteinflößend aussah wie der erste, nur dass sein ganzes Gesicht bis hin zum Hals mit Narben übersät war, als hätte ihn Victor Frankenstein zusammengeflickt, erschien im Artisteneingang. Auch er hatte eine Schrotflinte in der Hand.
    Drei weitere Männer waren an den Seiten hereingeschlüpft, wo das Zelt zwischen den Pfosten lose herabhing. Sie standen außerhalb des Scheinwerferlichts im Schatten. Ich konnte sie zwar nur undeutlich erkennen, aber wahrscheinlich waren sie ebenfalls bewaffnet.
    »Wie du siehst«, fuhr Vivacemente fort, »ist dein Sohn Andy also der Enkel meiner Natalie. Das heißt, er ist mein Enkel und mein Urenkel. Mein Traum hat sich um eine Generation verschoben, aber nun wird er in Erfüllung gehen. Wenn ihr mir den jungen Andy nicht für vierhundertzweiundzwanzigtausendfünfhundert Dollar verkauft, werde ich euch beide umbringen. Den Bäcker und seine Frau werde ich auch umbringen, und ich werde mir alle drei Kinder holen, ohne dass es mich auch nur einen Cent kostet.«
    Jimmy sah mich an, obwohl es ihm offenkundig genauso wenig
lieb war, Virgilio Vivacemente aus den Augen zu lassen, wie eine zusammengerollte Klapperschlange.
    Im Allgemeinen spürte ich, was Jimmy gerade dachte. Das Terrain in seinem hübschen Schädel war mein Hinterhof, dort fühlte ich mich zu Hause.
    Diesmal waren seine vertrauten Augen jedoch keine Fenster zu seinen Gedanken, wie sie es bisher immer gewesen waren. Sein Ausdruck blieb flach und geheimnisvoll.
    Einen weniger starken Menschen hätte das, was wir gerade erfahren hatten, womöglich so erschüttert, dass er vor Schrecken, Abscheu und Verzweiflung gelähmt gewesen wäre. Jimmy aber gab nie die Hoffnung auf.
    »Ganz schön beschissen, was?«, meinte er leichthin.
    »Beschissen«, sagte ich.
    Ich sah, dass Vivacemente den Triumph genoss. Sein Gesicht war für den selbstgefälligen Ausdruck, den es annahm, geradezu geschaffen. Er steckte die Hände in die Taschen seines scharlachroten Mantels und wippte in seinen roten Ballettschuhen vor und zurück,
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