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Trauma

Trauma

Titel: Trauma
Autoren: D Koontz
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fasziniert anstarrte; und als ich den richtigen Augenblick kommen sah, griff ich nach meiner Pistole.
    Ich glaube nicht, dass unser Gegner mich aus dem Augenwinkel sah. Eher nahm er wie ein geübter Pokerspieler in Jimmys Gesicht irgendeinen subtilen Hinweis wahr.
    Ohne die Hände aus seinem Kaschmirmantel zu nehmen, eröffnete er mit einer Pistole, die er in der rechten Tasche verborgen hatte, das Feuer auf Jimmy. Während ich zog, trafen zwei Schüsse Jimmy in den Unterleib, und während ich meine Waffe auf ihn richtete, folgten zwei weitere Schüsse, die in Jimmys Brust einschlugen. So laut, wie sie knallten, musste es sich um Hochleistungsgeschosse handeln. Die ersten beiden ließen Jimmy zurücktaumeln, und die nächsten beiden streckten ihn zu Boden.
    Um mir die fünfte Kugel zu verpassen, richtete Vivacemente die Waffe auf mich, aber nicht schnell genug. Ich traf ihn einmal in den Kopf, und er stürzte zu Boden.
    Kreischend wie eine Furie feuerte ich weiter. Die rechtschaffene Wut, die mich ergriffen hatte, konnte ich nur empfinden, weil ich bei klarem Verstand war. Kein Wahnsinniger in seiner moralischen Verwirrung hätte sich damit messen können. Drei Schüsse jagte ich noch in ihn hinein, in dieses Ding, das seine eigene Tochter vergewaltigt hatte, dieses Ungeheuer, das Kinder kaufte, diesen Dämon, der mich zur Witwe machen wollte.

    Hinter der Verwüstung seines Gesichts sah ich einen Ausdruck des Erstaunens. Er hatte wohl gedacht, er könne nicht sterben.
    Ich hätte meine Munition rationieren sollen, denn schon kamen die bulligen Zirkushelfer auf mich zugelaufen. Mit allen wäre ich allerdings ohnehin nicht fertig geworden, und eigentlich war ich nicht scharf darauf gewesen, auch nur einen zu erschießen, solange ich nicht sicher sein konnte, dass Vivacemente für immer und ewig erledigt war.
    Als ich die Waffe endlich auf den ersten der Männer richtete, warf er seine Flinte weg. Der zweite hatte das bereits getan.
    Auch die anderen drei kamen aus dem Dunkel ins Scheinwerferlicht. Der eine hatte eine Axt und ließ sie fallen. Der zweite hatte einen Vorschlaghammer, den er beiseite warf. Falls der dritte ebenfalls bewaffnet gewesen war, hatte er sich seines Mordwerkzeugs schon da entledigt, wo er vorher gestanden hatte.
    Vor Staunen und Entsetzen nach Luft ringend, sah ich, wie die fünf stämmigen Männer sich um die Leiche von Virgilio Vivacemente versammelten. Sie betrachteten sie mit Erschütterung, mit Ehrfurcht … und dann brachen sie plötzlich in lautes Gelächter aus.
    Mein süßer Jimmy, mein Bäckerjunge, lag reglos auf dem Boden, während die Männer immer weiter lachten. Einer von ihnen legte die Hände als Trichter an den Mund und rief etwas in einem Zirkusjargon, den ich nicht verstand.
    Als ich neben meinem Jimmy auf die Knie sank, kamen die Artisten ins Zelt gerannt. Sie trugen noch ihre Kostüme und kreischten wie die Vögel.

69
    Einige Tage lang taten meine Brust und mein Bauch so weh, als wären die vier Kugeln nicht von der Kevlarweste unter meinem Hemd aufgehalten worden, sondern hindurchgedrungen. Die scheußlichen blauen Flecken waren erst nach Wochen ganz verschwunden.
    Wie Lorrie euch wohl berichtet hat, hatten wir uns zu Hause so eingekleidet, wie es uns für eine »freundschaftliche Begegnung« angemessen erschienen war. Die beiden kugelsicheren Westen hatte uns Huey Foster schon ein Jahr vorher besorgt.
    Na schön, da haben wir euch noch mal auf den Arm genommen, genau wie im vierundzwanzigsten Kapitel. Aber wie viel Spaß hätte es euch gemacht, wenn ihr bei der Szene im Zirkuszelt ganz sicher gewesen wärt, dass ich überlebt hatte?
    Das Material hatte zwar alle vier Schüsse aufgehalten, doch die gleichmäßig über die gesamte Oberfläche der Weste verteilte Wucht des Aufpralls hatte mir derart die Luft aus der Lunge gepresst, dass ich bewusstlos geworden war. Ich hatte einen kurzen, nicht unangenehmen Traum, in dem es um Käsekuchen mit Schokoladenüberzug und Amaretto-Aroma ging.
    Als ich zu mir kam, hörte ich mehrere Leute schallend lachen. Andere stießen ein Kreischen aus, das sich zuerst entsetzt und angstvoll anhörte, bald jedoch albern und entzückt.
    Erwachsene, Teenager, Kinder, alle kamen sie zur Leiche von Virgilio Vivacemente. Keiner von ihnen schien zornig über seinen Tod oder geschockt von seinem Zustand zu sein.
    Vielmehr betrachteten sie die sterblichen Überreste mit fassungslosem
Unglauben, der sich rasch in das Bewusstsein ihrer Freiheit
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