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Fluch der Hestande

Fluch der Hestande

Titel: Fluch der Hestande
Autoren: Hugh Walker
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1.
    Seit zwei Tagen liefen sie über eine steinige Ebene, auf der es keine Schatten gab. Die graue Luft war fast weiß, und sie konnten weiter sehen, als je zuvor – weiter als hundert Schritte. Das vermittelte ein ungewöhnliches Gefühl der Sicherheit, denn es hatte Wegstrecken gegeben, bei denen die sichtbare Welt ein Dutzend Schritte vor ihnen in einer dunkelgrauen Luftwand endete, aus der der plötzliche Angriff eines Raubtiers zur tödlichen Überraschung werden konnte.
    Aber hier genügte es, die Augen offen zu halten, um jede Gefahr rechtzeitig zu bemerken, und es blieb genug Zeit, die Klinge blank zu ziehen.
    Mythor überließ Ilfa die Führung, obwohl der junge Draufgänger auch nicht viel mehr über diese Gegend wußte, als daß sie die Wälder meiden sollten, denn die Waldbewohner besaßen ihre eigenen Gesetze.
    Aber es gab Mythor ein wenig Gelegenheit, zu grübeln. Was er von Ilfa über sich erfahren hatte, war nicht viel. Ein Wolf, ein Einhorn und ein weißer Falke schienen mehr über ihn zu wissen als er selbst. Aber sie zeigten sich ihm nicht. Er wußte nur aus Ilfas Erzählungen von ihnen.
    Ein Wolf hatte Ilfa ins Versteck der Hexe Yorne geführt, in dem Mythor gefangen war. Und Ilfa hatte Worte wiederholt, die Yorne gesprochen hatte, bevor sie starb: daß sein Name Mythor war; daß er nie wieder für die Lichtwelt kämpfen würde; daß er nicht sterben durfte, um nicht wiedergeboren zu werden; daß er nie aus dem Kelch der Erinnerung trinken würde!
    Für einen, dessen Geist so leer war wie der seine, waren dies Funken, an denen die Phantasie sich entzündete. Er war also ein Krieger gewesen, bevor Yorne ihm das Gedächtnis raubte. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, denn er verstand es, mit Schwert und Dolch und selbst mit Ilfas Bogen bestens umzugehen. Wenn es also stimmte, daß er ein Krieger war, war die Wahrscheinlichkeit groß, daß auch die anderen Dinge der Wahrheit entsprachen.
    Sein Name war Mythor. Er hatte für die Lichtwelt gekämpft! Was aber war die Lichtwelt?
    Sie mußte irgendwo jenseits liegen! Früher oder später mußten sie jemanden finden, der von der Lichtwelt wußte. Dort mochte auch jemandem der Name Mythor vertraut sein.
    Yorne hätte alle Antworten gewußt. Aber Yorne war tot.
    Da war auch noch der Kelch der Erinnerung!
    Die Vorstellung, solch einen Kelch zu leeren und seinen Kopf zu füllen, verfolgte ihn bei Tag und Nacht.
    Aber vielleicht waren seine Erinnerungen längst verloren. Vielleicht war der Kelch nur Yornes Fluch, um ihren Gefangenen über ihren Tod hinaus zu peinigen!
    Niemand war ihnen bisher auf ihrem Weg begegnet, der ihnen etwas sagen hätte können. Raubkatzen waren die einzigen größeren Kreaturen gewesen, die ihren Weg kreuzten.
    Ilfa wußte wenig über die Welt und die Menschen. Außer wie ein kleiner Teufel zu kämpfen und sich vor den Bewohnern des Waldes in acht zu nehmen, hatte sein Vater ihm nichts beigebracht.
    Aber eine Schar von ein paar Dutzend Menschen aus einem Land, das sie Kantalien nannten, war in Helmonds Revier gelangt. Sie hatten von seltsamen Dingen gesprochen: von einem gewaltigen Kräftemessen zwischen Licht und Dunkel. Von ALLUMEDDON. Von einem Lichtboten. Aber keiner hatte davon viel verstanden. Es waren nur alte Geschichten von Ländern, die es geben mochte oder nicht. Für Ilfa gab es nur das Schattenparadies. Es war sein Zuhause. Ringsum lag das Aegyr-Land.
    Mythor wollte mehr über diese Kantaler wissen. Aber Ilfa wußte nicht, wohin sie gezogen waren. Vater hätte es gewußt, aber Vater war tot.
    Je mehr Mythor grübelte, desto mehr nährte er den Gedanken, daß die gefürchteten Waldbewohner über Wissen verfügen mochten, das ihm weiterhelfen konnte.
    Eine steinerne Ebene wie diese, über die sie seit Tagen wanderten, war tot und leer wie eine Wüste. Es war seltsam, daß er solche Vorstellungen wie Wald und Wüste entwickelte, denn er kannte beides nicht. Doch so wie er zu kämpfen und zu sprechen vermochte, wußte er auch dies.
    Aber die Ebene war nicht leer.
*
    »Etwas beobachtet uns«, unterbrach Ilfas helle Stimme Mythors Gedanken. Der junge Krieger nahm den geschwungenen Bogen von den Schultern und legte einen Pfeil an die Sehne.
    Beide hielten an und sahen sich um. So weit die Augen die weißliche Luft zu durchdringen vermochten, war alles still und leblos.
    »Du mußt dich irren«, brummte Mythor.
    »Nein.«
    Es klang so sicher, daß Mythor seine Klinge zog. Sie setzten langsam ihren Weg fort.
    »Es ist vor
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