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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
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Schiff erscholl ein Muschelhorn. Kilwar hob sich auf die Knie, und mit den Händen als Trichter vor den Lippen stieß er einen Ruf aus, der nicht weniger durchdringend als der Hornschall war. Eine Sekunde später wurde er bereits beantwortet.
    »Tam-sin«, Kilwars Hand lag warm und sanft auf ihrer Schulter. »Sie kommen uns holen.«
    Sie vermochte ihm nicht zu antworten, auch nicht, als er ihren Kopf hob und ihn auf sein Knie bettete. Durch den Schleier ihrer Erschöpfung sah sie, wie einer der beiden, die Kilwar gerettet hatte, den Kopf drehte und seinen Lord ansah.
    Der Nebel löste sich schnell auf. Ein Stern funkelte hoch über ihnen, und die lodernden Flammen beleuchteten das Wasser in einem weiten Umkreis. Der Bug eines Schiffes schnitt durch die Wellen und kam auf sie zu.
    Sie war sich kaum bewußt, daß man sie hochhob, an Bord brachte und in einer Kabine auf eine Koje legte. Kilwar zog eine Decke über ihre Schultern hoch, dann verließ er die Kabine. Aber er war – ehe ihr überhaupt richtig bewußt wurde, daß er nicht mehr an ihrer Seite stand – mit einem Becher in der Hand zurück. Stützend legte er einen Arm um ihre Schultern und drückte ihr den Becher an die Lippen, und da sie zu müde war, zu protestieren, obgleich sie die Schärfe seines Inhalts roch, schluckte sie die Flüssigkeit, die, wie ihr schien, brennend ihre Kehle hinunterrann.
    »Das – das Ding«, flüsterte sie, »wenn es freikam …«
    Ein schrecklicher Gedanke quälte sie. Was war, wenn dieses Grauen, das nun von keiner Hülle mehr gehalten war, ihnen folgen konnte?
    »Es ist tot, oder zumindest nicht mehr in der Lage, uns etwas anzuhaben«, beruhigte er sie. »Schlaf jetzt, meine Lady. Du hast hier nichts zu befürchten.«
    Sie gestattete, daß er ihren Kopf auf das Kissen bettete. Irgendwann mußte sie rekonstruieren, was geschehen war. Doch im Augenblick war ihr alles gleichgültig, und der Schlaf wartete als tröstender Freund auf sie.
     
10.
     
    Das erste Grau des Morgens breitete sich über das Kabinenfenster aus und fiel auf Kilwar, der mit geschlossenen Augen, zurückgesunkenem Kopf und ausgestreckten Beinen bestimmt nicht sehr bequem auf einem Stuhl schlief. Tamisans Augen ruhten auf ihm, als sie sich bemühte, ihre Erinnerung an die unmittelbar zurückliegenden Geschehnisse zu ordnen. Sie dachte an das Geisterschiff und an das, was sie in seinem Laderaum entdeckt hatte. In Gedanken schaute sie erneut hinunter auf den, der im Schein des fahlgrünen Lichtes zu schlafen schien.
    Kas!
    Da erst wurden ihr die Folgen ihres Angriffs auf ihn völlig klar. Starrex, Kas und sie waren in diesem Traum miteinander verbunden, in diesem Traum, über den sie keine Kontrolle hatte. Und wenn Kas tot war …
    Aber sie hatte mit eigenen Augen gesehen, nachdem sie ihm das Schwert in die Brust gestoßen hatte, wie er zur Leiche eines Mannes geschrumpft war, der schon seit Tagen oder noch viel länger tot war. Konnte dies dann das gleiche Schiff gewesen sein, das sein Unwesen an der Küste von Quinquare getrieben hatte? Wenn ja, mußte der Kas in dieser Welt schon lange nicht mehr am Leben gewesen oder vielmehr durch die leuchtende Kugel in einer Art Scheinleben erhalten worden sein.
    Welche Art von fremdartiger, erschreckender Magie lag hinter dem Grauen im Laderaum des Schiffes?
    Kilwar rührte sich. Er öffnete die Augen und setzte sich auf dem Stuhl auf. Dann schaute er sofort zu ihr. Irgendwie gelang es Tam-sin, die Kraft zu einem Lächeln zu sammeln.
    »Meine Lady!«
    Schon stand er an ihrer Seite.
    »Mein Lord!« Seine Sorge erwärmte sie. Sie spürte, wie sehr er sie brauchte, und dieses Gefühl war wie ein Anker in diesem Meer all dessen, das sie nicht verstehen konnte.
    »Du hattest den Mut – dorthin zu kommen!« Er nahm ihre Hände in seine und drückte sie so heftig, daß es schmerzte, aber sie empfand es als angenehm.
    »Wie hätte es anders sein können, als ich spürte, daß du mich brauchtest?« erwiderte sie. »Aber deine Kraft und Stärke waren es, die uns schließlich freizukommen halfen. Was war dieses – Ding?«
    Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich kann es nicht sagen. Es – es ernährte sich von der Lebenskraft anderer, von der Kraft derer, die es sich holte. Und das waren nicht wenige.«
    Tam-sin schauderte, als sie sich erinnerte, was rings um den Sarg gehäuft gelegen hatte. Sie benetzte die Lippen. Wenn er es noch nicht wußte, mußte sie es ihm sofort sagen. Es bedrückte sie sehr.
    »Kilwar, hast du
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