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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schweiß.
    »Sind Sie verheiratet?« fragte der Russe plötzlich. Forster schloß die Augen.
    Sei still, Genosse, dachte er. Ich habe ein Mädchen gesehen, das nicht mehr aus meinen Gedanken geht.
    »Nein«, antwortete er kurz.
    »Warum nicht?«
    »Ich hatte keine Zeit dazu.«
    »Studium, Arbeit, gleich ein verantwortungsvoller Posten – immer dasselbe!«
    »Genau. Gute Nacht, Pal Viktorowitsch.«
    Er weicht mir aus, dachte Karsanow.
    Was ist mit ihm? Er hat sich in den letzten Stunden verändert. Wo war er die ganze Zeit, wenn er nicht bei Klaschka war? Man sollte Mulanow fragen. Oder …
    Er stand leise auf, zog einen einfarbigen blauen Bademantel über und verließ, an den nackten Füßen Pantoffeln, das Abteil.
    Boris Fedorowitsch war schon wieder unterwegs.
    Ein Betrunkener im Zweiter-Klasse-Abteil, Wagen drei, hatte für Empörung gesorgt. Besoffen, wie er war, hatte er einen starken Harndrang verspürt. Anstatt, wie jeder gebildete Mensch, auf die Toilette zu gehen, war er nur in den Mittelgang getreten und hatte dort schamlos die auf dem Boden schlafenden Kinder benäßt.
    Ein großes Geschrei entstand, die Eltern der Kinder waren empört, die Väter drohten mit Schlägen … einer war sogar bereit, den Betrunkenen aus dem Zug zu werfen. Eine alte Bauersfrau schrie, man solle solche Kerle kastrieren. Aber – hat das Einfluß auf die Blase? fragte sich Mulanow.
    Er schlichtete den Streit auf seine Art.
    Er bugsierte den Betrunkenen zum Gepäckwagen und gab ihn dort bei den beiden Postpackern ab. Es waren zwei große stämmige Burschen, die sich über die Abwechslung freuten. Schon beim Schließen der Tür hörte Mulanow, wie es laut klatschte und der Betrunkene aufheulte. Der Schaffner war zufrieden.
    In dieser späten Nacht geschah noch etwas Merkwürdiges. Karsanow hockte, im Schlafanzug und den Bademantel übergeworfen, in dem kleinen Funk- und Fernsprechabteil des Transsib und unterhielt sich drahtlos mit irgendwelchen Genossen in Moskau. Dabei machte er sich Notizen auf der Rückseite einer Speisekarte und beendete schließlich das Gespräch mit einem brummigen: »Es ist gut. Ende!«
    Mulanow saß in der Ecke des Raums und kaute an einem Butterbrot mit Landkäse. Dazu trank er Tee aus einer Thermosflasche.
    Er wagte nicht, Karsanow anzusprechen; er wußte jetzt nur, daß der zweite Mann im Abteil drei mit einer Dienststelle in Moskau gesprochen hatte, mit der kein Russe ohne zwingende Notwendigkeit etwas zu tun haben will.
    »Der Deutsche ist durch den Zug gelaufen?« fragte Karsanow streng.
    Mulanow nickte und schluckte einen großen Brocken Brot mit Käse herunter.
    »Er hatte sich verlaufen, Genosse. Wollte zu Fedja in den Speisewagen.«
    »Um diese Zeit?«
    »Er klagte über einen trockenen Hals.«
    Karsanow beendete die Befragung des Schaffners als unergiebig und stand auf.
    Die Information aus Moskau war nichtssagend: Werner Forster, Ingenieur für Röhrenbau, 33 Jahre alt, wohnhaft in Duisburg, unverheiratet, politisch neutral, nicht Mitglied einer Partei, in der Sowjetunion als technischer Berater für den Bau der Erdgas-Pipeline tätig. Befindet sich auf der Heimreise nach Erfüllung seiner Aufgaben. Reist mit dem Transsib, weil er darum gebeten hat. Keine Veranlassung, ihm das zu verwehren. Sonderfahrausweis für erste Klasse …
    Alles stimmte. Ein normaler netter Mensch also.
    Und dennoch hatte Karsanow das unerklärliche Gefühl, daß sich hinter dieser glatten Fassade eines unauffälligen Mannes einige unbekannte Ecken und Kanten verbargen. Und sein Gefühl hatte ihn bisher noch nie getäuscht.
    Er konnte sich darauf verlassen wie auf einen Geigerzähler, der bei dem geringsten radioaktiven Teilchen ausschlägt und summt. Und bei Karsanow summte es im Hirn, wenn er an Werner Forster dachte …
    »Wer fährt noch in der ersten Klasse mit?« fragte Karsanow an der Tür. Mulanow setzte den Becher ab, aus dem er gerade Tee trank. Übrigens ein würziger Tee, der leicht nach Wodka roch. Fragte man Mulanow danach, antwortete der stets lächelnd: »Ich habe die Thermosflasche vorher desinfiziert..«
    »Zweiundzwanzig Herrschaften, Genosse.«
    »Wichtige Personen, Sie Clown?«
    Mulanow dachte nach. Er nennt mich Clown, dachte er empört. Er darf es, ungestraft, und das ist ungerecht!
    Bravo, tapfere Klaschka, daß du ihn ›Altes Väterchen‹ tituliert hast!
    »Ein General«, zählte Mulanow nun langsam auf, »ein Mitglied des Politbüros, zwei Professoren bis Ulan-Ude. Bis Wladiwostok bisher nur
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