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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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Saum ihres Kimonos.
    »Nun, das waren etwa fünfundzwanzig Minuten«,
sagte der Hundehändler, indem er zu der Stutzuhr auf
dem Kaminsims hinsah.
»Das dürfe ausreichen.«
    Auf dem Schoß des jungen Fräuleins zog die Hündin die Pfoten ein und ließ sich umarmen. Die Dame faßte mit der rechten Hand nach ihrem Playboy, der nach Art der Drahthaar-Foxterrier, während er sich hinten schüttelte, die Vorderläufe wie ein Pferd in rhythmischem Trappeln erhob und schließlich der Dame auf die Knie sprang. Dann begann er sich den schwammigen Bauch zu lecken. Das junge Fräulein, offensichtlich um aufzubrechen, strich sich übers Kleid und sah dabei zu dem Hundehändler hinüber.
    »Ich möchte Sie doch bitten, junges Fräulein: bleiben Sie noch ein wenig hier. Die Hündin sollte jetzt möglichst zwei Stunden still liegen. Und wenn Sie nach Hause gehen, lassen Sie sie besser laufen, auch wenn es weit ist. Wollen Sie aber unbedingt fahren, so nehmen Sie, möchte ich Ihnen raten, lieber das Schaukeln in einer Rikscha in Kauf, das schadet ihr weniger als das Gerüttel in einem Auto.«
    »Ja, bleiben Sie nur ruhig sitzen. Wenigstens werde ich frischen Tee bringen«, sagte die Dame, und wie um ihrer Schande zu entfliehen – ihr war, als hätte man ihr die Kleider vom Leib gerissen –, nahm sie Playboy auf den Arm und lief aus dem Zimmer. Sobald sie indessen die Tür hinter sich geschlossen und das Hundemännchen rücksichtslos in den Korridor geworfen hatte, brach sie in ein wie lange aufgestautes, helles und heiteres Lachen aus und rief: »Wie kann sich doch der Mensch zu einem so schamlosen Wesen entwickeln!« (Frauen, die mit einem Sprung aus Vaters Ordinationszimmer stürzten. Ich war schließlich noch ganz ein Kind. Ich begriff ja noch nicht, in welchem Augenblick so ein Wesen Frau plötzlich das Gefühl bekam, neue Hoffnung entdeckt zu haben. Beim Hund Sechsundsechzig Mikron. Beim Mensch sechzig Mikron. Beim Riesensalamander siebenhundert Mikron, und die Wasserwanze, wenn sie lang ist, mißt zwölf Millimeter. Die Eizellen bei Mensch und Gorilla null Komma dreizehn bis null Komma vierzehn Millimeter. Beim Hund null Komma einhundertfünfunddreißig bis null Komma einhundertfünfundvierzig Millimeter. Auch beim Wal null Komma vierzehn Millimeter. Beim Schnabeltier eine Größe von zweieinhalb Millimetern. Und während sie durch den Eileiter gleiten, schwellen sie an bis auf achtzehn Millimeter. Ja, Playboy, ich kenne mich aus in der Arithmetik des Märchens. Auch der Frau des Homo sapiens, sagt man, sei ein Rest jahreszeitlich bedingter Empfängnis geblieben. Unser Herrchen hat beim Weggehen gemeint, es werde heute wieder spät werden mit dem Heimkommen. Eine mit dem Hund soupierende junge Dame? Eine schöne dazu …)
    Heiter gelaunt vor dem dreiteiligen Spiegel stehend, rief die Dame das Hausmädchen.
    »Bringe dem jungen Fräulein frischen Tee!« (Ah, Quecksilber! Daß klar sich zeichne Granatapfels Abbild –: Scheibe des Monds, die ein Spiegel scheint.) »Und dann poliere bitte den Spiegel!«
    Sowie sie eiligen Herzens ihr Make-up auffrischte, hatte der Spiegel aus der so vornehmen Dame eine Frau gemacht, die Lust verspürte auf ein unbeschwertes Gespräch. Sie war kaum in den Salon zurückgekehrt, als ihr das junge Fräulein die Visitenkarte eines Mannes überreichte: »Mein älterer Bruder läßt Ihnen sagen, daß er Sie eigentlich lieber selber aufgesucht hätte.«
    Während die Dame das junge Fräulein zum Hauseingang begleitete, schob sie diese Visitenkarte hinter ihren Obi, und dabei beruhte sie mit der Hand eine Banknote: die Deckgebühr, so wie sie sie zuvor vom Hundehändler erhalten hatte. Dem jungen Fräulein gegenüber hatte sie völlig vergessen, davon zu sprechen; aber was konnte sie denn darauf erwidern? Und von neuem errötend, sagte sie: »Also erwarte ich Sie morgen – nein, übermorgen.« Dann, mit überraschender Ausgelassenheit: »Der Herr Hundehändler muß sich ja nicht eigens herbemühen. Wir beide können das auch allein, nicht wahr?« Im gleichen Augenblick fiel ihr ein, daß sie dem Hundehändler noch keinen Vermittlerlohn gegeben hatte; sie rief ihn herein und übergab ihm einen Zehn-Yen-Schein, als plötzlich Playboy hervorgesprungen kam. Das junge Fräulein hatte den Mantel schon zugeknöpf. Playboy kläfe laut und sprang an der Dame hoch. Denn die Dame hielt die Silberfuchs-Boa des jungen Fräuleins in der Hand. »Sei doch still!« (Wenn sie so nur nicht erfährt, daß ich keine
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