Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
Vom Netzwerk:
als ich ihn heiratete, diesen Mann, es wäre gut; doch habe ich das nur einen Tag lang gedacht. Wirklich: so dem jungen Fräulein gegenüber, sitze ich einsam in meinem Innern. Mit ihr zu zweit bin ich und bin doch ganz verloren und allein. Immer die Einsamkeit an der Brust des Mannes. Wie mögen Tiere empfinden, wenn sie einsam sind? Säuglingseinsamkeit. Das ist nichts für die Augen eines Kindes. Pathologische und anatomische Präparate sind nichts für die Augen einer Frau. Das junge Fräulein ist schuld, daß man sich ihr gegenüber einsam fühlt. Und ich schweige, um zu verbergen, was mich jetzt beschämt. Denn ich verfolge einen schändlichen Traum: ich will das junge Fräulein beschämen. Weil es mich glücklich macht, das junge Fräulein zu bezwingen. Ob ich nicht doch Playboy absichtlich herabspringen ließ von meinem Schoß? Oh, Maria von Sant’ Agostino!)
    »Hören Sie …« Die Worte, die sie folgen lassen wollte: (… ob es aber gleich beim erstenmal in Ordnung ist?) hinunterschluckend, sagte die Dame: »Sie kommen ja doch morgen noch einmal. Sicherheitshalber.« »Ja, vielen Dank.«
    »Oder besser noch übermorgen. Was meinen Sie, als Hundehändler?« (Natürlich auch das junge Fräulein. Daß sie nicht am Ende den Hundehändler allein herschickt. Habe ich gesagt: Morgen – ?)
    »Nun«, meinte nicht eben aufmerksam der Hundehändler, »mir scheint es besser, wenn ein Tag dazwischenliegt.«
    Die Dame warf einen kurzen Blick auf ihn. (Was für ein vulgäres Gesicht! Dienerfigur! Beinahe hätte ich gefragt: schon beim ersten Paarungssprung? Wenn an einer unverheirateten Dame eine beidhändige Palpation vorgenommen wird, sollte man eigentlich erwarten, daß ihre Mutter oder jemand aus der engsten Verwandtschaft sie begleitet. Angespannte Bauchdecke. Narkose. An die Begleiterinnen der jungen Damen in Vaters Klinik mich zu erinnern: wie of fand ich sie schrecklich häßlich. Sie kamen, damit Vater die Unschuld ihrer Töchter bewahrte, aber mir schienen sie im Gegenteil gekommen, um die Unschuld ihrer Töchter zu beflecken. War es, weil ich meinen Vater so unendlich tief liebte? Nein, nicht das. Für die jungen Damen war ich ein kleines Mädchen. Schoß der jungen Damen, wenn sie mich umarmten. Ich, mit errötendem Gesicht: Fremde Tante, Sie riechen wie Vater! Wie viele junge Damen und ihre Mütter. Mir ist, als wußte ich, daß es etwas Häßliches wäre, das Altern. Vom dritten Lebensjahr an, sagt Havelock Ellis, beginnt sich der Mensch dem Tier zu nähern.)
    »Ihre Hündin ist wohl noch keine drei Jahre, wie?« Die Dame tat, als blickte sie geflissentlich auf irgendeinen eben aufgetauchten Hund.
    Und das junge Fräulein, ganz in der gleichen Weise: »Er ist noch sehr jung … ein Jahr und drei Monate, glaube ich.«
    Die beiden Hunde waren still. Sie standen auf dem Teppich mit dem Rosenmuster, die Köpfe voneinander abgewandt, und dabei blickten sie wie benommen jeder seine Herrin an, aus Augen, die so feucht waren, als stünden die Pupillen offen. Playboys Brust pulste hefig. Und wieder übertrug sich sein Herzschlag auf den Herzschlag der Dame, der, als das Glöckchen zu klingeln aufgehört, ruhiger geworden war. Nun rührte dieser Herzschlag zwar von einem ihr Widerlichen her, das sie, obwohl sie es gesehen, nicht zu sehen vorgegeben hatte; dennoch besaß er eine Kraf, die sie die Lüge ihres Lebens spüren ließ. Oder sollte, überlegte die Dame, auch dies seine Ursache in der knabenhafen Schönheit des jungen Fräuleins haben? »Sehr jung noch, nun ja, aber doch durchaus schon ein erwachsener Hund.« (Sehr jung noch? Das trif auf das Fräulein zu. Zweifellos hat sich das Fräulein bei den Worten ›sehr jung noch‹ der Mutter erinnert. Wirklich sind Sie noch ein kleines Kind. Was der Teppich so verschlissen ist! Die Rosen. Ach, Rosenblüte des Blicks, die die sapphische Liebe beschwört, gleißende Blüte, verschwiegene Blüte, – wärst du eine Perle, ich hielte dich tags in der Hand, nachts schliefen wir beisammen, nachts schliefen wir beisammen … Woran eigentlich dachte Großmutter, wenn sie die Enkelin einschläferte mit diesem Lied? Anders als der Mann, hat es auch die erwachsene Frau noch gern, wenn sie eine ihresgleichen bei der Hand nehmen und mit ihr schlafen kann. Kinder. Schoßtiere. Sehr jung noch, sagt sie, – so also ist das: das Fräulein liebt die junge Hündin, wie eine Mutter es tut. Jungfrau, die Mutter eines Hundes: wie schön, wie schrecklich einsam! … nachts schliefen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher