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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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erinnerte sich an das Klassenzimmer, an den Englischlehrer, und wie sie selbst dastand, steckengeblieben beim Übersetzen dieser einen Zeile, während der Englischlehrer, wie ihr schien, unverwandt ihr leichtes Make-up betrachtete. (Die eine Zeile, die ich behalten habe, weil mir das unangenehm war. Ihr Gesicht so zu belauern. Wer denn, – ich? Endoskop. Starre denn etwa ich ihr Gesicht, das Gesicht des jungen Fräuleins so an? Eine Röte, – nein, häßlich würde, auch wenn ich im Gesicht errötete, mein Make-up nie: glänzende Rote des Aalmolchbauchs bei der Kopulation. Dies waschen im reinen Fluß, hieße Wassergott und Feuergott beflecken. Blutschüssel-Hölle. Die Messeglöckchen damals in Kindertagen in der Heimat. Daß kein Flehen war, das Weib zu retten! Geläut der Kirche. In der Abendstunde der Glockenschlag, der vom Bergtempel hinabschwang zum Meer. Im Lyzeum die Glocke, die die Unterrichtsstunde beendete. Am Halsband des Hundes das Glöckchen, das in der end pleasure aufgehört hat zu klingeln. End pleasure zwischen ihrem Mann und ihr. Wie mit dem Endoskop betrachtet, erfasse ich das Fräulein, das junge Fräulein; wirklich ist ihr Gesicht gar nicht gerötet. Das Weib. Der Internistenspiegel. Spekulum. Tubulares Spekulum. Schwarzes Glas. Milchglas. Elfenbein. Elfenbeingriff am Stock des Mannes. An der Tür zum Krankenzimmer: Gazestreifen, geschlungen von der Klinke vorn zur hinteren Klinke, um jedes Geräusch zu vermeiden. Und diese Klinken: aus Glas, leuchtend wie eine Herbstnacht, schöne Lippen. Strömen des Sauerstoffs wie am Stövchen das Gas. Man setzt dem jungen Fräulein das Ende des schwarzen Gummischlauchs mit dem Nickeltrichter an den Mund, und ich starre unverwandt auf die Lippen des jungen Fräuleins. Sterben wird sie, aber ihre Lippen, benetzt vom Tau des Sauerstoffs, sind schön wie die eines Knaben. Es darf nicht sein, daß mein jüngerer Bruder stirbt. Ein noch so junges Fräulein, – dabei mag ich sie nicht einmal besonders. Zu warm ist es im Zimmer geworden. Das Gasstövchen zischt wie bei der Inhalation der Sauerstoff. Und da klingt es, als würde mit einer Pinzette gegen vernickeltes Metall geklopf. Wenn man all diese beschmutzten Dinge wüsche im reinen Fluß! Am Zahnarztstuhl das Becken. Das auf Glas silberplattierte Fergussonsche Spekulum. Behandlungsstuhl, wie ihn Gynäkologen benutzen. Steißlage. Ah, arme Mutter! Daheim an der Tür zum Ordinationszimmer die Klinken waren nicht aus Glas. Aus weißer Emaille. Wenn Vater – Mutter war müde vom langen Tag – mich auf den Arm nehmen wollte: dies Gebrüll, ohne Mutter loszulassen, und doch die Finger von Vaters lysolgefärbten Händen. Lysolgeruch. Beidhändige Palpation. Keimfreies Olivenöl. Beinhaltung des Säuglings, wenn ihm, während er schrie, die Windeln gewechselt wurden. Trauriges Wiegenlied. Rezitation aus der Kinderhöllen-Sutra damals daheim, als ich noch klein war. Es ist ja nicht nur am Bergfuß der Weg hinüber ins Jenseits, es gibt sie auch in dieser Welt. Die Kinderhölle. Und sie kennen den Ort, die Kleinen: zwei, drei, vier, fünf Jahre alt, unter zehn jedenfalls. Solange es Tag ist, spielen sie; beginnt aber dann die Sonne zu sinken, erscheinen ihnen aus der Hölle die Teufel, und wild rennen sie nach Westen und Osten, stolpern über die Steine und über die Wurzeln der Bäume, Arme und Beine färbt ihnen das rinnende Blut, und schließlich die Ratlosigkeit der Kinderherzen: liegen da auf steinernen Kissen im Sand und fallen weinend, weinend in Schlaf. Ah, dieses Leid von den Herzen der Kleinen! Jenes Einsamsein: die Säuglinge kennen es, den Erwachsenen bleibt es unbekannt. Daß Vater mich auf den Arm nehmen wollte, war, Mutter, immer dann, wenn du, den weißen Abfallbehälter wegzuräumen, aus dem Ordinationszimmer kamst. Das ist nichts für die Augen eines Kindes. Später, sowie der Zahnarzt nur mit der Pinzette an das vernickelte Becken klopfe, schwanden mir stets die Sinne. Vaginismus. Am Gesäß des Säuglings der Mongolenfleck, wenn ihm – die Oberschenkel auf den Bauch gedrückt – die Windeln gewechselt wurden. Da war ein Geheimnis in dem Zimmer hinter der Tür mit der weiß emaillierten Klinke. Ach, ich fühlte mich, Mutter, so verlassen in Vaters lysoldufenden Händen. Verfallene Ruinen. Stadt des Pomps und des Vergnügens – Pompeji. In den Ruinen Pompejis fand sich verschüttet auch ein Spekulum. Stadt des Todes. Meine begrabenen Tage, – ich, Ruine verschütteter Tage. Zwar dachte ich,
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