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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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Pelzboa besitze.) Und während sie dem Hund einen leichten Tritt in die Seite versetzte, legte sie dem jungen Fräulein den Silberfuchs um die Schultern: »Er ist schließlich ein Foxterrier, unser Playboy. So eine Fuchsjagd zu Pferde, mit einer Meute von Dutzenden oder Hunderten von Hunden, soll ja ein schrecklich vornehmes Vergnügen sein, – ich könnte es mir schon vorstellen.«
    Nachdem die Hündin fort war, lief Playboy schnüffelnd den Korridor entlang und kratzte mit den Krallen seiner Vorderpfoten an der Tür zum Salon. Ausgelassen nahm sie ihn auf den Arm, die Dame, und setzte sich abermals vor den Spiegel. Dort saß sie noch immer, als spät nachts der Mann nach Hause kam.
    Die Aktenmappe auf den Rand des Toilettentischs werfend, packte er sie plötzlich bei den Schultern, schüttelte sie und sagte: »Glücklich der Mann, der eine so in ihren dreiteiligen Schminkspiegel vertiefe Frau besitzt, daß sie nicht das geringste Geräusch vernimmt, wenn er, der Gemahl, nach Hause kommt, – so könnte es in einem deiner geliebten Romane heißen, nicht wahr?«
    »Da bist du ja. Hu, hast du kalte Hände, – das geht mir durch bis auf die Schultern.«
    »Hm. Buddha werden durchs Schminken, – warum eigentlich nicht? Der Weg, der zur Erleuchtung führt, ist überall. Auch im Mikroskop, auch im Schminkspiegel.«
    »Und gerade dann, wenn du spät nach Hause kommst, pflegst du gewöhnlich laut mit der Tür zu knallen.« »So, wirklich? Vielleicht weil ich – …«
    »Nein, wie abscheulich, hör auf damit! Ich weiß
schon.«
»Was weißt du?«
»Du sehnst dich nicht nach deiner Frau. Dich verlangt
es nach dem menschlichen Weibchen. So steht es mit
dir.«
»Also fängst du wieder damit an!«
    »Du hast so lange den Menschen unterm Mikroskop betrachtet, daß du nun nach dem Menschen im Spiegel verlangst. Wenn du draußen die Tür so hefig auf stößt, denke ich: ah, wie einsam muß er sich fühlen!« »Ganz im Gegenteil, Immer dann, wenn es mit meinen Forschungen gut vorangeht, freue ich mich darauf, nach Hause zu kommen. Einsam, scheint mir, bist du. Nun ja, aber lassen wir einmal, was das Einsamsein betrif, mich beiseite. Zweifellos könnte auch ich das Gefühl haben, ich wäre einsam. Eine Ehefrau jedoch, selbst wenn sie meint, ihr Mann fühle sich einsam, sollte besser davon schweigen.«
    »Natürlich, das ist wahr, – aber was, meinst du, ist einsamer: menschliches Leben im Mikroskop oder menschliches Leben im Spiegel?«
    »Darüber müßte man schon Goethe befragen. Er war ja Biologe und Dichter. Jedenfalls möchte ich gern, du hörtest endlich damit auf, meine Forschungen zu weiblicher Poesie zu stilisieren.«
    »Du denkst also, im Spiegel einer Frau sei nichts als Poesie. Aus dieser Anschauung eben rührt das ganze Elend unserer Ehe her.«
    »Unterm Mikroskop gibt es zumindest keine Lüge. Ob Glück, ob Unglück, – das sind doch alles Lügen.« »Das glaube ich freilich auch.«
    »Für die Frau wie für den Dichter ist jeder mögliche Einfall eine Wahrheit; deshalb geben beide für den Wissenschafler kaum einen Gegner ab … Du bist ja ganz voller Hundehaare. Wieso denn das?« »Ich habe ihn geputzt.«
    »Du lieber Himmel! Selbst einem Hund versucht ihr die künstliche Poesie beizubringen. Zweifellos wird das einmal ein recht esoterisches Vieh werden. Die Ehefrau, einsam, trimmt dem Hund das Fell, – wie?« Damit legte der Mann die Jacke ab, knöpfe die Hosenträger heraus und fuhr sich dann, während er mit dem einen Fuß die Hose am anderen Bein herunterstreife, mit allen zehn Fingern durchs Haar. »Du scheinst dich kolossal wohl zu fühlen.« »Hm, gehen wir schlafen.«
    Die herabgerutschten Socken hinter sich herschleifend, ging der Mann mit einem Gähnen hinüber ins Schlafzimmer. Als die Dame bemerkte, daß sie, ohne sich auch nur umzudrehen zu ihm, die ganze Zeit über mit dem Mann im Spiegel gesprochen hatte, erhob sie sich plötzlich, und im Spiegel blieb von ihr ein halb unterdrücktes Lachen zurück. Mit diesem halb unterdrückten Lachen sah sie auf ihren Mann, der, noch immer im weißen Oberhemd, auf dem Bett sitzend eine Zigarette rauchte, und dabei band sie ihren Obi auf. Banknote und Visitenkarte fielen ihr vor die Füße. Sofort setzte sie sich mit abgewandtem Gesicht auf die Matte und faltete den Obi zusammen. Erstaunt über sich selbst, murmelte sie: (Eine schlimme Frau!); doch eben dadurch, daß sie sich für eine schlimme Frau hielt, empfand sie die Vorboten wilder Lust wie dann, wenn um
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