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Traeum weiter, Mann

Traeum weiter, Mann

Titel: Traeum weiter, Mann
Autoren: Nebe
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Ihre Laune könnte nicht besser sein. Deuters und Gerald werfen sich einen düsteren Blick zu, sie wissen, dass es so harmonisch nicht bleiben wird. Die Hochhäuser von Sierksdorf und Timmendorfer Strand liegen auf der Steuerbordseite im Wolkenschatten wie böse Warnzeichen.
    Gerald nimmt Kurs auf die Mecklenburger Bucht.
    Steff erzählt im fröhlichen Plauderton von einer Segeltour rund um Tasmanien, wo weitaus angenehmere Temperaturen herrschten als hier, an der Ostsee im Oktober. Sie war dort mit vier Freundinnen aus Darwin unterwegs. Nur eine konnte segeln, was normalerweise kein Problem gewesen wäre, wenn kein Sturm aufgekommen wäre. Steff ahmt das hysterische Gequieke ihrer Freundinnen in den hohen Wellen nach.
    Gerald versucht ein Lächeln.
    Es erleichtert ihn zwar, dass kein Mann in der Geschichte vorkommt, aber ansonsten ist er nicht in der Stimmung für solche Storys. Deuters kauert sich in eine Ecke des Achterdecks und starrt an Gerald und Steff vorbei, als wartete er auf eine Fähre und würde sie nicht kennen.
    Steff schaut ihn mitleidig an.
    »Ich bin schon so gespannt auf dein Buch«, verrät sie. »Wann erscheint es denn?«
    »Nie«, ruft Gerald spontan, bevor Deuters etwas anderes sagt.
    Steff lacht ihn aus. »Du schon wieder ...« Dann fragt sie bei Deuters nach: »Gibt es ein festes Datum?«
    Gerald lässt das riesige Ruderrad durch seine Finger laufen. Die Daisy II macht einen Schlenker nach backbord und hält auf die offene See zu.
    »Sag du’s ihr, sonst mach’ ich es«, zischt Gerald.
    »Woher willst du wissen, wann sein Buch erscheint?«, erkundigt sich Steff amüsiert bei Gerald.
    Deuters starrt auf den leeren Ozean.
    »Es ist alles im Werden«, murmelt er vage.
    Das lässt ihm Gerald nicht mehr durchgehen. »Damit will er sagen, er ist gar kein Schriftsteller!«, ruft er laut.
    Steffs Gesicht wird hart wie eine Betondecke. »Gerald, du bist so was von krank, das macht mir echt Angst!«, zischt sie.
    Damit bringt sie Gerald auf den Siedepunkt, er explodiert: »Reiß endlich dein Maul auf, Heiner!«
    Der schaut weiter stumm an Steff vorbei auf die offene See.
    »Gerald hat recht«, gibt er schließlich leise zu.
    Na endlich!
    »Womit?«
    Deuters nimmt ein Tau in die Hand, das auf dem Boden liegt. »Bis jetzt habe ich noch nichts veröffentlicht.«
    Steff versteht gar nichts mehr. »Aber ...«
    Gerald hilft ein bisschen nach. »Er ist Buchhalter in einer stinknormalen Firma.«
    »So stinknormal nun auch wieder nicht, wir machen Film und Fernsehen«, protestiert Deuters schwach und spielt mit dem Tau in seiner Hand herum.
    » Du addierst da nur Zahlen!«, erinnert ihn Gerald.
    Jetzt erst schaltet es bei Steff durch, dass Deuters sie von vorne bis hinten betrogen hat.
    »Stimmt das?«, fragt sie den traurig dreinblickenden Mann im Tweed-Jackett, der ihr plötzlich sehr unheimlich erscheint.
    »Ja.«
    »Und das ›kranke Herz‹? Die Geschichte, die du mir und meinen Freundinnen vorgelesen hast?«
    Deuters ist plötzlich ganz klar. »Das war nicht von mir. Der Text war von einer ... Kollegin.«
    Steff starrt ihn ungläubig an. »Was?«
    »Aber ich werde selber auch einen Roman schreiben«, erklärt er selbstbewusst.
    »Er hat in der ganzen Zeit drei Seiten geschafft«, schnaubt Gerald verächtlich, »davon nimmt allein die Widmung für dich zwei Seiten ein.«
    »Das ist komplett übertrieben«, wehrt sich Deuters.
    »Drei Seiten? Das ist nicht wahr, oder?«, fragt Steff ungläubig nach.
    »Ich habe im Fernsehen mal einen Beitrag über japanische Bogenschützen gesehen«, weicht Deuters aus. »Deren Philosophie ist es nicht, das Ziel zu treffen, sondern eins mit dem Ziel zu werden.«
    »Laber keine Scheiße«, höhnt Gerald.
    Doch Deuters redet unbeirrt weiter: »Ich wollte in der Pension nicht Schriftsteller werden, sondern Schriftsteller sein. Das hatte gar nichts mit dir zu tun, Steff. Du kamst nur zufällig dazwischen.«
    »Und ich«, ergänzt Gerald im Stillen.
    Steff kann es nicht fassen. Ungläubig starrt sie Deuters an.
    »Ich habe geglaubt, ich treffe das erste Mal einen echten Künstler, der mich versteht«, schimpft sie beleidigt. »Ich war so stolz auf den Obstgarten, den du einbauen wolltest, das erste Mal in meinem Leben wäre etwas von mir in einem richtigen Buch erschienen! – Wie naiv bin ich eigentlich?«
    Gerald nimmt sie tröstend in den Arm. »Er war total gerissen.«
    »Ich töte dich, Heiner Deuters!«, brüllt Steff.
    Deuters nimmt einen Bootshaken mit einer fiesen
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