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Traeum weiter, Mann

Traeum weiter, Mann

Titel: Traeum weiter, Mann
Autoren: Nebe
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Ausflug an die Ostsee gekauft hat, Freiheit von Jonathan Franzen .
    Zufrieden betrachtet er die kleine Bücherreihe, die ordentlich nach Größe sortiert hinter seinem aufgeklappten Laptop steht. Jetzt noch ein Glas guter Rotwein und fertig ist der perfekte Autoren-Arbeitsplatz.
    Er greift sich den Franzen und beginnt, darin zu lesen. Bisher kennt er nur die überschwängliche Kritik im Hamburger Abendblatt. Doch schon nach ein paar Seiten legt er das Buch wieder weg. Zielloses Geplapper, findet er, und schaltet den Röhrenfernseher an, der auf einem Extratischchen neben dem Fenster steht. 12  Programme, darunter auch zwei dänische Sender. Er schaltet ein bisschen herum und bleibt schließlich mit gedankenverlorener Miene bei einer Quizsendung des NDR mit lokalen D-Promis hängen.
    Endlich reißt er sich vom Fernseher los. Er ist nicht an die Ostsee gefahren, um sich solchen Mist anzuschauen! Warum nicht ein bisschen arbeiten? Schließlich hat Heiner die Erfahrung gemacht, dass er abends besonders kreativ ist.
    Leise ächzend rollt er sich aus dem viel zu weichen Bett und schaltet seinen Laptop an, wartet, bis der Rechner hochfährt, geht dann auf Word und öffnet seinen Text. Zufrieden liest er wieder den Titel: » Der seltsame Franzose «.
    Er muss daran denken, wie er vorhin im Wintergarten gesessen hat. Mit einem verträumten Lächeln erinnert er sich an die hübsche Kellnerin. Bisher hat sie ihn kaum beachtet. Kein Wunder, schließlich musste sie arbeiten. Außerdem ist er für sie bisher nur ein Gast von vielen. Wenn sie wüsste, dass er ein echter Schriftsteller ist ...
    Vorhin hat er sie noch einmal zu sich an den Tisch gerufen, um einen weiteren Wein zu bestellen. Davor hatte er den Rechner etwas zu ihrer Seite gedreht. Eigentlich hätte sie den Titel seines Buches lesen müssen ! Aber Fehlanzeige. Ohne die kleinste Reaktion war sie wieder davongegangen.
    Egal, denkt Heiner jetzt, ich bin zwei Wochen hier, da ist noch reichlich Gelegenheit, sie näher kennenzulernen.
    Bevor er mit seiner Arbeit beginnt, surft er ein bisschen im Cyberspace herum. Die übliche Runde: Bild Online , Spiegel Online , die Internetseiten der Mopo , die HSV -Homepage und dann wieder die Bild .
    Ihm fällt auf, dass das Seite 1-Girl so ähnlich aussieht wie Frau Schmidts Tochter. Gut, nicht wirklich, sie hat nur auch blonde Haare. Sonst sieht das Zeitungsmodel ganz anders aus. Frau Schmidts Tochter hat nicht so eine schiefe Nase. Und eine gepiercte Lippe auch nicht.
    Heiner sieht versunken am Computer vorbei hinaus in die dunkle Nacht und versucht, sich daran zu erinnern, wie genau sie aussieht. Aber so sehr er sich auch bemüht, das Bild von ihrem Gesicht bleibt verschwommen. Sie hat ihn nur einen ganz kurzen Moment angelächelt. Er ärgert sich, dass er sofort schüchtern den Blick gesenkt hat, und nimmt sich vor, ihr am nächsten Tag einen langen, direkten Blick in die Augen zu schenken. Dann wird er sich ihr Gesicht ganz genau einprägen. Und sie bei der Gelegenheit auch gleich nach ihrem Namen fragen.
    Vor Heiners geistigem Auge entwickelt sich ein federleichter, geistreich-witziger Dialog wie in einem Woody-Allen-Film. Er überlegt, wie er das Gespräch so lenken kann, dass sie schließlich bei ihm am Tisch Platz nimmt. Lächelnd stellt er sich vor, wie sie ihre schönen Beine übereinander schlägt und andächtig seinen Anekdoten aus dem großen Hamburg lauschen wird.
    Dann kann er ihr auch von seinem Buch erzählen. Natürlich wird sie interessiert sein. Einfühlsam wird er sie daran erinnern, dass sie jetzt wohl leider wieder an ihre Arbeit zurückkehren müsste. Aber wie wäre es später mit einem Spaziergang am Strand ...?
    Heiner beschließt, nichts zu übereilen. Zwei lange, bestimmt sehr spannende und arbeitsreiche Wochen liegen vor ihm. Er wird seine Chance bekommen. Und er wird sie nutzen.
    Hier geht es nicht um Ordinäres wie Sex und Liebe, sondern nur um ein wenig Inspiration für die schwere Aufgabe, die vor ihm liegt. Natürlich will er nichts von dem Mädchen. Aber was ist schon dabei, wenn man sich etwas freundlicher unterhält?
    Er lächelt zufrieden ...
    ... als er auf einmal einen unangenehmen Geruch bemerkt. Einen sehr unangenehmen Geruch. Angewidert rümpft er die Nase. Hat er etwa doch ein Raucherzimmer bekommen? Misstrauisch schnüffelt er an der Bettwäsche, kann aber nur feststellen, dass sie frisch gewaschen ist.
    Woher zum Teufel ...?
    Dann versteht er. Draußen vor seinem halboffenen Fenster
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