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Jesses Maria - Hochzeitstag

Jesses Maria - Hochzeitstag

Titel: Jesses Maria - Hochzeitstag
Autoren: Carla Berling
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Im Bett mit Herrn Jürgens
    Heute habe ich Hochzeitstag.
    Besser gesagt, ich hätte, wenn Manni und ich zusammengeblieben wären. Silberhochzeit. Fünfundzwanzig Jahre. Damals war ich noch dünn und dunkelhaarig. Jetzt bin ich fünfzehn Kilo schwerer. Ein Vierteljahrhundert später. Und Manni trug den Bauch noch nicht über der Hose und den Scheitel nicht kurz über dem Ohr.
    Wie würden wir feiern, wenn wir noch zusammen wären? Würden wir mit den Hochzeitsgästen von damals in die Kirche gehen? Mit den meisten von ihnen hatten wir nach der Hochzeit nie wieder was zu tun.
    Wir haben groß geheiratet. Hundertfünfzig Leute. Fünftausend hat das damals gekostet, wir haben einen Kredit aufgenommen, um das bezahlen zu können.
    Hätte ich heute ein silbernes Krönchen auf dem Kopf, und trüge Manni seinen guten Anzug? Nein, der passte ihm schon vor zehn Jahren nicht mehr.
    Damals waren wir mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft im Bürgerhaus. Ich kann mich heute noch an das Menü erinnern: vorweg Kraftbrühe mit Buchstabennudeln und Eierstich. Dann zweierlei Fleisch: Rinder- und Schweinebraten, auch „Freud- und Leidbraten“ genannt, weil es diese Kombination zu jeder feierlichen Gelegenheit gab, dazu gehörten neben Hochzeiten, Taufen und Geburtstagen auch Begräbnisse. Dazu Leipziger Allerlei, Kartoffeln und Kroketten und zum Nachtisch für jeden ein Scheibchen Fürst-Pückler-Eismit Sahne.
    Meine Eltern hatten uns als Überraschung einen Hammond-Orgelspieler besorgt, und Manni und ich waren deswegen sauer. Wir hatten nämlich Charly mit seiner rollenden Diskothek engagiert. Der mit der Hammondorgel spielte „Ich tanze mit dir in den Himmel hinein“ und den „Schneewalzer“ und solchen Kitsch. Wir waren doch junge Leute und wollten was Modernes. Und wir standen damals auf Reggae. Goombay Dance Band fand ich ganz toll. Und Jimmy Cliff. Schließlich haben Charly und der Hammondorgelspieler sich abgewechselt. „Sun of Jamaica“ und dann der „Ententanz“, das war ein schönes Kontrastprogramm.
    Wir würden also heute bei unserer Silberhochzeit erst den traditionellen Brautwalzer aufs Parkett legen und später per Polonaise durchs Bürgerhaus ziehen. Für den Ehrentanz hatten wir damals extra Tanzstunden genommen, damit wir uns nicht blamieren. Wir mussten ja schon beim Polterabend vortanzen, das ist in Ostwestfalen so Sitte.
    Beim Polterabend haben uns die Kollegen ein Ferkel geschenkt. Ein lebendiges! Das fand ich unmöglich, was soll denn ein junges Paar mit einem lebenden Schwein anfangen? Ja ja, es sollte uns Glück bringen. Hat es aber nicht, uns nicht und ihm selber auch nicht. Wir haben es zeitnah zu Bauer Klöthenkötter gebracht, der hat es ordentlich gemästet und bis zur Schlachtreife großgezogen. Wir haben uns dann Wurst, Stippgrütze und Schinken geteilt. Koteletts, Schnitzel und den Rest behielt der Bauer, er hatte es ja mit Kost und Logis für das Schwein quasi im Voraus bezahlt.
    So fing also unsere Ehe an: mit einem Tanz um ein rosaSchweinchen.
    Seit ich die Arthrose im linken Knie habe, klappt es mit dem Tanzen leider nicht mehr so gut. Aber ich muss ja auch heute nicht mehr tanzen. Damals musste man. Das gehörte sich so. Man kam gar nicht auf die Idee, sich nicht an die Bräuche und Traditionen zu halten. Obwohl Manni und ich ein paar Dinge eigenmächtig geändert hatten. Zum Beispiel beim Polterabend: Den feierte man eigentlich mittwochs, aber wir haben ihn frechweg an einem Donnerstag gefeiert. Die Leute brachten ihr altes Porzellan mit und zerdepperten es vor unserer Haustür. Manni und ich mussten anschließend alles zusammenfegen, als erste gemeinsame Amtshandlung nach der offiziellen Verbindung sozusagen.
    Herr Sauerbrei, unser Vermieter, hatte uns vorher mit Kündigung gedroht, falls wir nicht alles picobello hinterlassen würden oder womöglich Scherben in seine Rosen-Rabatten im Vorgarten flogen. Und dass ab Punkt zweiundzwanzig Uhr Nachtruhe wäre, sagte Sauerbrei. Als er nach etlichen Pils und Wacholdern ordentlich angeschickert war, vergaß er die Zeit. Übernachtet hat er bei Schlüters im Garten. Legte sich in voller Montur in die Hollywoodschaukel und schnarchte wie ein Berserker. Das Essen hat er verpasst, darüber hat der sich nach Jahren noch geärgert.
    Wir als Verlobte mussten beim Polterabend alle Gäste verköstigen. Teurer Spaß, denn du weißt ja vorher nicht, wie viele kommen. Das können schon mal hundert Leute sein, auch unter der Woche, obwohl man am nächsten
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