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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition)
Autoren: Alkestis Sabbas
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Familien? Sollen wir sie hier
zurücklassen, während das Land im Chaos versinkt?“, unterbricht Katja ihn,
während Anna murmelt: „Ich geh nicht ohne meine Mama! Nicht ohne Mama!“
    Niemand beachtet Jo, der tief durchatmet, zum
Schreibtisch geht und nach dem Telefon greift.
    „Was ist?“, knurrt er. „Dann sperrt sie ein. Oder was
immer ihr sonst auch mit ihnen tut, nachdem sie gefressen haben.“ – „Was soll
diese Frage? Ich bin der Leiter dieses Unternehmens, was sonst?“ – „Janus hat
sich mit dem heutigen Tag von allen Ämtern zurückgezogen. Ich bin sein Neffe
und damit legitimer Nachfolger. Haben Sie das Memo nicht erhalten?“ – „Sie
werden nicht fürs Denken bezahlt, sondern fürs Gehorchen. Oder wollen Sie
Bekanntschaft mit den Kalten machen?“ – „Na eben! Merken Sie sich ein für alle
Mal: Ich bin Der Mulder . Mein Wort ist Gesetz.“
    Langsam lässt Jo
das Telefon sinken und setzt sich auf die Kante des Schreibtischs. Seine Knie
zittern. „Respekt!“, meint Katja und setzt sich neben Jo. „Ich bin dabei.“
    Anna starrt ihren alten Kumpel an. Jo, seines Zeichens
paranoides Computergenie und Bartträger aus Leidenschaft, hat soeben die Macht
an sich gerissen. Wenn das funktioniert, bekommt er lebenslänglich Zutritt zu
ihrem Wäschekorb.
    Bernd weiß
nicht, ob er lachen oder weinen soll. Der Plan ist kühn. Und zu 99 Prozent zum
Scheitern verurteilt. Denn es ist mehr als fraglich, dass man Jo sein Theater
abgekauft hat. Selbst wenn: Ist Jo wirklich die geeignete Person, um das
Schicksal einer ganzen Nation in seinen Händen zu halten? Johann hat sich in
einen Winkel des Zimmers zurückgezogen und vollführt eines seiner kleinen
Tänzchen. Ab und zu sieht er zu Jo und Katja hinüber, die bereits Pläne für die
Zukunft schmieden. Schließlich dreht er sich um und meint: „Zum Teufel, warum
eigentlich nicht?“ Dann geht er mit großen Schritten zur Tür. Im Hinausgehen
sagt er: „Ich kümmere mich um alles. Machen Sie sich keine Sorgen, Boss.“

7. Juli 2013
    Verspielt tanzen kleine Wellen aufs Ufer zu. Immer
und immer wieder. Als hätten sie nichts anderes zu tun. Haben sie
wahrscheinlich auch nicht. Die Sonne versucht erbarmungslos, auch den
schattigsten Winkel zu erreichen. Als wollte sie daran zu erinnern, dass sie
nicht zu ihrem persönlichen Vergnügen hier ist. Hauptsaison auf Kreta ist harte
Arbeit.
    Der sanfte Wind
macht die Hitze ein wenig erträglicher. Anna richtet sich in ihrem Liegestuhl
auf und sieht sich um. Nach einem liebevollen Blick auf Bernd, der
hingebungsvoll eine Sandburg nach der anderen baut, lässt sie ihre Augen rundum
wandern. Obwohl sie seit mittlerweile drei Wochen hier sind, ist Anna jedes Mal
aufs Neue fasziniert von dem Anblick, der sich ihr bietet. Der schneeweiße
Sandstrand, die duftenden Pinienbäume und vor allem das endlose Meer, das mit
unerschütterlichem Gleichmut kommt und geht. Tagaus, tagein. Das hat etwas
Beruhigendes. Aber auch etwas Beängstigendes. Es erinnert Anna daran, dass sich
manches nie ändern wird. Es gibt Urgewalten, mit denen man sich abfinden muss.
Ignorieren funktioniert in manchen Fällen nämlich nicht.
    „Bleib sitzen, mein Schatz! Ich bring dir frisches
Wasser. Du solltest dich nicht so anstrengen“, sagt Sophie und hüpft auf
Zehenspitzen über den heißen Sand Richtung Haus. „Mama, ich bin schwanger,
nicht behindert“, ruft ihr Anna nach und schüttelt den Kopf. Seit sie ihrer
Mutter eröffnet hat, dass sie ein Kind erwartet, ist Sophie im Glück und
überschlägt sich fast vor Fürsorglichkeit. Seltsamerweise hat sie damals nicht
so überwältigt reagiert, wie man das von einer werdenden Großmutter erwarten
könnte. Sicher, sie hat sich gefreut. Ganz irre sogar. Aber wirklich überrascht
hat sie nicht gewirkt. Als hätte Anna ihr nur bestätigt, was sie ohnehin schon
die ganze Zeit über geahnt hat. Bernd kann nicht gepetzt haben, da er nur
wenige Stunden vor Sophie erfahren hat, dass er Vater wird. Die Zeit bis zum
schwiegermütterlichen Besuch hat er damit verbracht, Annas Bauch zu küssen. Und
zu weinen. Aber nur ein bisschen.
    Rückblickend ist sich Anna ziemlich sicher, dass ihre
Mutter nicht ganz unschuldig an ihrem Zustand ist. Denn jedes Mal, wenn sie
Anna und Bernd in ihrer gemeinsamen Wohnung besucht hat, ist sie im Badezimmer
verschwunden. Und nach zehn Minuten mit hochrotem Kopf und verschämt kichernd
wieder aufgetaucht. Natürlich könnte man die Wechseljahre dafür verantwortlich
machen.
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