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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition)
Autoren: Susanne Staun
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meinen Fünen-Guide vergrub, genauer gesagt in die Doppelseite 171 /172, auf der das Zentrum von Odense in verschiedenen Maßstäben gezeigt wurde. Ich fragte mich, was die großen grauen Bereiche inmitten der Karte darstellten. Zwar stand da Zuckerraffinerie, TV2 / Danmark und Güterbahnhof, aber das erklärte noch lange nicht, warum das Areal auf der Karte grau und leer war. Sah man einmal davon ab, dass die Albanigade den Tuborgvej ersetzte, glich die Stadt einer Miniaturversion von Kopenhagen: Kongens have, Assistens Kirkegård, Vesterbro, Østerbro, Allégade. Aber es gab auch ein paar fremde Namen wie Falen, Munke Mose und die Thomas B. Thrigesgade, die bestimmt nach einer lokalen Berühmtheit benannt worden war, bei der es sich – ging man von der Größe der Straße aus – um keine unwesentliche Gestalt gehandelt haben konnte.
    Der Bahnhof von Odense aber war eine Enttäuschung: ein hässlicher roter Ziegelbau neueren Datums, den sich die DSB mit dem regionalen Busunternehmen und der Zentralbibliothek teilte und der eine Aura verströmte, die meilenweit von der summenden, internationalen Stimmung entfernt war, die hinter den fantastischen Mauern des Kopenhagener Hauptbahnhofs herrschte.
    Ich sah mich um. Ganze acht Gleise und nicht ein hübscher Fleck, auf dem der Blick ruhen konnte. Ein Toilettenautomat, in dem das Pinkeln zwei Kronen kostete, vermutlich, weil die eingebauten Metallaggregate so teuer gewesen waren. Der Rest bestand aus einemEinkaufszentrum: Baresso, Sunset, Bodega mit Raucherzimmer und ein paar verstreute Boutiquen für Mädchen unter sechzehn.
    Ich schlenderte durch die Odenser Version des Kongens have, der offen, kahl und klein wirkte und direkt neben dem stark befahrenen Lille Stationsvej lag. Das alte, mondäne Bahnhofsgebäude schien inzwischen von der Zeitung
Fyens Stiftstidene
übernommen worden zu sein. Der Park glich einer Baustelle und war voller Bagger, Männer in orangen Warnwesten und großen Sandbergen, aber laut Stadtplan war dies der kürzeste Weg zur Jernbanegade und Franck A.
    Der Tag hatte schon warm und sonnig begonnen, doch jetzt, da es auf sechs Uhr zuging, schien die Luft zu schmelzen. Ich hatte den Kongens Have noch nicht einmal zur Hälfte durchquert, als mir aus jeder Pore meines Körpers der Schweiß ausbrach. Wenn es so weiterging, würde ich den leitenden Rechtsmediziner mit klitschnassen Händen begrüßen müssen.
    Ich sah ihn schon von weitem. Groß und breit thronte er draußen an einem der Tische unter einem Sonnenschirm, vor sich eine Flasche, die aus der Ferne Rotwein vermuten ließ. Er hatte mir die Seite zugewandt, so dass ich sofort sah, dass er Shorts und Dockers ohne Strümpfe trug. Es war erst kurz nach sechs und für einen Maiabend ungewöhnlich warm. Das ganze Restaurant orientierte sich nach draußen, und so gab es sowohl Decken für kalte Beine als auch Wärmelampen an breiten Schirmen, wenn auch beides zu diesem Zeitpunkt ziemlich überflüssig war. Ich sah Dr. Madsen an, dass er mich längst erkannt hatte, als ich mit dem Rucksack über der Schulter auf ihn zukam, obwohl er hartnäckig die Fassade über mir anstarrte, so dass ich schließlich etwas sagen musste, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er hatte tiefe Falten im Gesicht und sah mich an, ohne zu lächeln, was mich nervös machte. Mühsam stand er auf und reichte mir die Hand, während seine Augen sich bereits anderen Bereichen meines Körpers zuwandten.
    »Maria – ich habe einen Riesenhunger. Ich musste heute das Mittagessenüberspringen, also, was meinen Sie, könnten wir vielleicht gleich etwas essen?«
    Dr. Krause
, versuchte ich ihm mit den Augen zu signalisieren, als ich ihm gegenüber Platz nahm.
Sie sollen mich nicht Maria nennen
.
    Dr. Madsen setzte sich, schob eine Speisekarte zu mir hinüber, öffnete sie und pflanzte zielsicher seinen Zeigefinger darauf.
    »Das ist mein Lieblingsessen.«
    Ich warf einen Blick auf Dr. Madsens Lieblingsessen, das gleichzeitig auch Franck A’s
Favorit
war: am Spieß gegrillte Scampis mit einer Unmenge seltsamer Beilagen. Dann sah ich zu Dr. Madsen hinüber. Er sah irgendwie aus wie eine wehmütige Bulldogge.
    »Ist für mich in Ordnung.« Es war mir eigentlich ziemlich egal, außerdem war ich nicht hungrig, da ich immer noch mit dem Hotdog kämpfte, den ich im Kopenhagener Bahnhof gegessen hatte.
    »Und was trinken Sie?« Er nickte in Richtung seines Rotweins, angeblich ein ausgezeichneter Villa Antinori.
    Ich nickte und zuckte mit den
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