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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition)
Autoren: Susanne Staun
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Negerin.«
    Ihr Mund war jetzt zehn Zentimeter breit, und ihre Zähne glänzten weiß im Sonnenlicht. »Und einer Insel.«
    Nkem sagte immer: »Du bist eine Negerin«, und ich antwortete darauf regelmäßig, dass sie besser den Mund halten solle. Nur beim ersten Mal hatte ich die aschblonden Haare nach hinten geworfen und gesagt: »Nicht wirklich, oder?« Sie hatte mein Gesicht gemustert und gesagt, ich hätte Negerlippen, dickes, elastisches Bindegewebe und braune Augen, und das würde völlig ausreichen. Immer wieder sagte sie, ich sei eigentlich eine Negerin. Ich wusste nur zu gut, was sie damit meinte: Das Schicksal hatte mich dazu verdammt, in den Augen der anderen weißen Menschen immer irgendwie anders zu sein.
     
    Wir saßen lange da und aßen schweigend. Erst gegen zwölf Uhr, als die Sonne groß und diffus durch eine dicke Schicht Wolken schien und sich ein Schwarm winziger Fliegen für die Reste unseres warmgeräucherten Lachses zu interessieren begann, packte Nkem das Essen weg. Ich sah mich um. Zwei ältere Männer auf Pferden verschwanden gerade hinter ein paar Bäumen, ansonsten war es ruhig. Eigentlich sollten bei diesem Wetter mehr Leute hier draußen sein, dachte ich, als die Stille jäh durch das Geschrei einer Gruppe sieben- oder achtjähriger Kinder zerschnitten wurde, die zwischen den Bäumen oben auf dem Hügel hervorkamen und nun hangabwärts rannten. Ihr Lachen sprudelte aus ihren Körpern, perlte über ihre Lippen und erfüllte die Luft mit sorglosem Leben. Wir beobachteten sie still, und Nkems breite Lippen wurden auf einmal sehr schmal. Munachiso hatte sich vor Jahren von ihr scheiden lassen, weil sie Fibrome in der Gebärmutter hatte und deshalb keine Kinder bekommen konnte. Nkem hatte mir einmal erzählt, dass Munachiso so viel bedeutete wie »Gott und ich arbeiten zusammen«, eine Bedeutung, die ihrer Meinung nach aber wenig zutraf. Trotzdem, Munachiso, über dessen breite Stirn sich dicke Adern zogen, war ein großer Mann – wenn auch nicht groß genug für Dänemark, das zwar Platz für große Männer, nicht aber für große Neger hatte, so dass Munachiso jetzt als Professor für Chemie an der Nsukka-Universität in Nigeria unterrichtete. Er hatte Frau, fünf Kinder, Dienstmädchen und Chauffeur. Etwa zu der Zeit, als er Dänemark den Rücken kehrte, lernte ich Nkem kennen – wir waren auf einem Flur ineinandergerannt, so dass ich eine Beule auf der Stirn bekam –, und das Erste, was sie mir über Munachiso sagte, war: »Möge sein Apparat den Geist aufgeben, mögen Hexen die Gebärmutter seiner neuen Frau verfluchen, möge er an Durchfall sterben.«
    »Und was sagt Michael?«, fragte sie auf einmal. »Glaubst du, er will mit?«
    Ich sah sie ausdruckslos an. Eine von Nkems ganz besonderenEigenschaften war es, zu wissen, was dieser Blick bedeutete:
Der sagt doch nie was. Nickt vielleicht mit dem Kopf und liest weiter. Er wird es gar nicht merken, wenn ich nicht mehr da bin.
    »Und was ist mit eurer Wohnung?«
    »Die ist abbezahlt, das ist kein Problem. Außerdem verliert sie nicht an Wert, wenn Michael da allein wohnt. Ebenso wenig wie ich.«
     
    Montagmittag meldete sie sich wieder bei mir. »Ich habe den großen Oyinbo getroffen. Eigentlich wirkt der ganz in Ordnung. Ein bisschen schüchtern. Und er hat auch nicht
mitunter
gesagt.«
    »Dr. Bonde Madsen?«
    »Hm, er hat weggeguckt, als er mir die Hand gegeben hat.«
    »Er trifft sicher nicht oft so eine große, schwarze Negerin.«
    »Ho-ho-ho. Und in seinen Schubladen ist auch nichts Interessantes.«
    »Verdammt, hast du schon wieder einen Blick riskiert?« Nkem war pathologisch neugierig. Ohne jede Scheu durchwühlte sie die Schubladen von Leuten, las ihre Tagebücher, blickte in Geldbörsen und überprüfte die Internetchronik. Wer vor ihr etwas verheimlichen wollte, musste schon verdammt früh aufstehen.
    »Wie konntest du das tun? Du hast doch gerade erst mit deiner Arbeit begonnen«, fragte ich resigniert und ein bisschen verärgert. Ich sah sie vor mir, dem Telefonkabel und dem kalten Wasser im Storebelt zum Trotz, wie sie mit den Schultern zuckte und ein irgendwie nachsichtiges Gesicht machte.
    »Wir saßen in seinem Büro, bevor ich die Runde machen und alle begrüßen sollte, als eine Sekretärin hereinkam und sagte, ein Dr. Soundso warte im Sitzungsraum auf ihn. Er verabschiedete sich mit diesem standardmäßigen
bin gleich wieder da
, von dem man doch weiß, dass es mindestens zehn Minuten dauert. Und in dieser Zeit
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