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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition)
Autoren: Susanne Staun
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muss man sich ja irgendwie unterhalten. Sein Computer war auch nicht gerade interessant. Der Typ muss todlangweilig sein.«
    Ich konnte nicht anders als mich in diesem Moment zu fragen, was sie wohl über mich dachte. Ich hatte nämlich auch nichts in den Schubladen und schon gar nicht auf dem Computer.
    Schließlich erzählte sie mir, was für ein seltsamer Ort dieses Odense sei. Sie hätten da kein Ramlösa-Wasser, nur Egekilde. Überall wimmelte es vor Albani und H. C. Andersen, sonst sei überhaupt nichts los, und das Magasin-Einkaufszentrum habe nicht einmal eine Delikatessenabteilung, dafür müsse man zum Pinkeln aber angeblich mit einem Uraltfahrstuhl in den vierten Stock fahren. Sogar das Radisson sähe aus wie eine Jugendherberge. »In den Zimmern sind keine Minibars, dafür steht draußen auf dem dunklen Flur irgendein Flaschenautomat«, stöhnte sie. Sie hatte eine Nacht dort verbringen müssen, weil sie die Schlüssel ihrer neuen Wohnung erst am folgenden Tag übernehmen konnte. Und sonntags sei in Odense alles geschlossen. Dann informierte sie mich noch, dass im Nachbarhaus eine Eigentumswohnung zum Verkauf stehe. »Mit Balkon zum Hunderup-Viertel, steht hier. Ich habe zwar keine Ahnung, was das bedeutet, ist aber bestimmt was Gutes.«
     

     
     
    Es war Dienstag, 9.23 Uhr. Für zehn Uhr war eine Obduktion angesetzt worden. Meine zerschnittene Hand steckte in einem großen Verband, und jedes Mal, wenn ich ihn abnahm, sprang die Wunde wieder auf und begann erneut zu bluten. Abwechselnd starrte ich das Telefon und meine Hand an. Ich hatte keine Lust auf die dreiköpfige männliche Auswahlkommission und versuchte mir einen Grund auszudenken, um vor der Abgabe meiner Bewerbung ein Vier-Augen-Gespräch mit dem leitenden Rechtsmediziner Bonde Madsen führen zu können. Sollte ich einfach so tun, als bräuchte ich sein Fachwissen für einen Fall, an dem ich aktuell arbeitete? Ihn in einer Angelegenheit um Rat fragen, die seine Spitzenkompetenz betraf? Männermochten so etwas, und da ich den Eindruck hatte, dass er mehr Mann war als Stallone, Willis und Kennedy zusammen, mochte er das bestimmt auch dreimal so gern.
    Ich hatte mir eine Übersicht der Artikel beschafft, die er im Laufe der Zeit geschrieben hatte. Nur zur Sicherheit. Und sie gelesen. Trotzdem hatte ich nicht genug Mut für diese Taktik, griff einfach irgendwann zum Hörer und wählte, nachdem ich bereits seit dem frühen Morgen das Telefon angestarrt hatte, die Nummer. Es klingelte endlos, doch als ich gerade aufgeben wollte, hob er ab.
    »Madsen.« Die tiefe, murmelnde Stimme schien zu einem Mann zu gehören, der nicht am Telefon klebte, sondern dieses allem Anschein nach lieber mit ausgestrecktem Arm hielt, wenn er denn überhaupt den Hörer abnahm.
    »Ja, doch, ich kann mich an Sie erinnern, ha-ha«, sagte er in einem etwas helleren Tonfall, als ich ihn erwartet hatte: »Dr. Maria Krause, RI, Kopenhagen.«
    Ha-ha?
    Ja, ich bin die mit den unauffälligen Brüsten und den schönen Beinen, von denen Sie bei den letzten gemeinsamen Tagungen Ihre Augen nicht lassen konnten. Ich weiß nicht mehr, in welcher Stadt das beim letzten Mal war, aber das Essen war gut und reichlich. Natürlich erinnern Sie sich an mich.
Mir schauderte.
    »Was kann ich für Sie tun, Maria?«
    Es wäre mir lieber gewesen, er hätte mich mit Dr. Krause angesprochen, aber trotzdem sagte ich ihm, dass ich gerne ein inoffizielles Gespräch mit ihm führen würde, um mich über die ausgeschriebene Stelle als stellvertretende Rechtsmedizinerin – nicht gerade eine Berufsbezeichnung für jemanden, der eine Tendenz zum Lispeln hatte – zu informieren. An das
mitunter
denkend, sprach ich von
in Kenntnis setzen.
Ich wollte verschiedene Sachen wissen – fragte nach den Dienstplänen, den Zuständigkeiten für Grönland oder die Färöer und der neuen Kita …
    Als ich wieder auflegte, hatte er mich in ein Restaurant namens Franck A eingeladen,
zu Fuß vom Bahnhof unschwer zu erreichen
, mit freundlichen Grüßen vom Rechtsmedizinischen Institut, Odense.
    Mein Blick fiel auf meinen Verband. Ich musste mir wohl ein Pflaster suchen, um die Wunde verkleben und die Hand in einen Latexhandschuh zwängen zu können.

ODENSE, 2008
     

2
     
     
    Ich war nie zuvor in Odense gewesen, sondern immer nur an dieser Stadt vorbeigefahren, wenn ich denn überhaupt ein seltenes Mal in der Gegend war. Deshalb stellte ich mir alles Mögliche vor, als ich in Kopenhagen aufbrach und meine Nase in
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