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Totenwall

Titel: Totenwall
Autoren: Boris Meyn
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waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Geschäfte um die heimlichen Grundstücksaufkäufe für die Trasse der Ringbahn, die damit einhergehenden Spekulationen und Entschädigungszahlungen durch die Enteignungskommission entsprechen hingegen der historischen Realität und finden ihre Fortsetzung über den Bau der Hafen-City bis in die Gegenwart. Einen Makler Bernelt hat es tatsächlich gegeben. Er nahm sich nach seiner Verurteilung wegen des Handels mit faulen Hypotheken am 3. Juli 1910 im Altonaer Gefängnis das Leben.
    Die Hamburger Polizei arbeitete 1910 unter der Führung von Polizeidirektor Dr. Gustav Roscher (1852–1915). Die Leitung der Kriminalpolizei unterstand dabei Regierungsrat Stürken. Erfunden habe ich hingegen den Ordnungshüter Heinrich Andresen sowie Polizeiarzt Molch. Auch der Polizist Roland Holländer, der Archivleiter Waldemar Klein, Polizeihauptmann Schott sowie die Wachtmeister Schulze und Meier sind meiner Phantasie entsprungen. Genauso wenig hat es Andresens Mitarbeiter gegeben.
    Dem Bau der Hamburger Ringbahn liegt eine langjährige Planungsgeschichte zugrunde. Bereits 1891 dachte Oberingenieur Franz Andreas Meyer (1837–1901) über den Bau einer mit Dampflokomotiven betriebenen Vorortbahn nach. Wenige Jahre später überlegte man den Bau einer Schwebebahn. Pläne zu einer kombinierten Hoch- und Untergrundbahn wurden 1898 von den Berliner Unternehmen Siemens & Halske sowie der AEG vorgelegt. Im Jahre 1905 schloss die Stadt Hamburg die ersten Verträge mit diesen Unternehmen ab, ein Jahr später begannen die Erdarbeiten, und 1909 erhielten Siemens & Halske und die AEG von der Stadt die Konzession zum Betrieb der Hamburger Hoch- und Untergrundbahn.
    Die in diesem Roman geschilderte personelle Zusammensetzung der einzelnen Gremien und der Betreibergesellschaft entspricht der historischen Realität. Frei erfunden ist hingegen das durch den Fund der Frauenleichen ausgelöste Treffen von Polizeiführung, Senatoren und den Mitgliedern der Betreibergesellschaft im Hamburger Rathaus sowie die Gründung der Untersuchungskommissionen unter der Leitung von Senator Emil Mumssen (1871–1939), dem späteren Direktor der HHA , und Senator Johann Heinrich Burchard (1852–1912). Die gemeinsam verbrachte Jugend von
Heibu
und Sören Bischop sowie ihre seglerische Rivalität, die sich bereits durch mehrere Bücher hindurchzieht, ist natürlich, ebenso wie Burchards Spitzname, ein Produkt meiner Phantasie. Nicht erfunden sind die kritischen Spitzen alteingesessener Hamburger Familien gegenüber dem vom Kaiser zweifach geadelten (1889 und 1910) John Freiherr von Berenberg-Gossler (1866–1943) sowie die durch Steuergelder finanzierten Geschäftsreisen zahlreicher Bürgerschaftsmitglieder zur Brüsseler Weltausstellung. Letzteres eine Tradition, die nicht nur unter hanseatischen Politikern bis in die Gegenwart reicht.
    Die Gründung der Hamburger Hochbahn AG ( HHA ) findet erst 1911 statt. Ein Jahr später werden die ersten Streckenabschnitte der Ringbahn für den Verkehr freigegeben, 1913 schließt sich der Kreis. Mit dem Bau der Eimsbütteler Stichstrecke wurde deutlich früher begonnen. Tatsächlich hat es dort mehrfach eine kurzfristige Verschiebung der geplanten Streckenführung gegeben, aufgrund deren es zu spekulativ begründeten Leerständen kam. Die in diesem Roman genannten Buden an der Marthastraße hat es also wirklich gegeben, ihr Besitzer hieß freilich nicht Gottfried Börner. Die genannten Grundstückspreise sind Offerten der zeitgenössischen Tagespresse entnommen.
    Neben dem Bau der Ringbahn gab es 1910 noch weitere verkehrstechnische Großbaustellen, am spektakulärsten wohl der Bau des Elbtunnels. Idee und Planung reichen zurück bis in die 1870er Jahre («Die rote Stadt»). Um die Jahrhundertwende wurde die Notwendigkeit für einen neuen Verkehrsweg so groß («Die Schattenflotte»), dass man die Realisierung in Angriff nahm. Im Jahre 1907 begannen die Bauarbeiten, und bereits im September 1911 konnte der Tunnel unter der Elbe eröffnet werden. Der Bau der Mönckebergstraße war ein weiterer städtebaulicher
Durchbruch
in der Stadt, die 1910 erstmals mehr als eine Million Einwohner zählte. Er ging einher mit der Niederlegung der alten Gängeviertel um die Kirchspiele St. Petri und St. Jacobi. Die in den Folgejahren errichteten Großbauten, Kontorhäuser, Hotels und Geschäftshäuser flankieren noch heute den Straßenzug von Hamburgs erster Einkaufsstraße. Abriss und
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