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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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Gespräche mit den Polizisten, das Weinen von Julia und Sandra, Herr Rentsch, der in unserem Zimmer vorbeischaute und uns etwas zu essen brachte. Ich aber konnte nur an eines denken: dass ich heute Nacht Levkes Mörder treffen würde. Am Abend war es dann so weit: Ich holte die Flasche mit dem Rest Wodka für Julia und Sandra aus meiner Tasche.
    Kurz nach halb elf schlich ich mich aus dem Kloster.
    Ein letzter Blick auf die Uhr. Es ist eine Minute vor Mitternacht. Wenn alles vorbei ist, rufe ich die Polizei an, sage ich mir zum letzten Mal. Dann gehe ich auf den Eingang der Katakomben zu.
    Wir hätten uns auch ein Taxi teilen können, denke ich und muss ein Kichern unterdrücken. Kichern ist ein Zeichen von Nervosität und Unsicherheit, weiß ich, aber das nützt mir jetzt nichts, im Gegenteil. Das Steinmaul, in dem der Skorpion lauerte, wirkt jetzt in der Nacht noch unheimlicher. »In Kirgisien sollen sie einen Geständnistrank aus Skorpionen brauen«, hat Levke an dieser Stelle gesagt und mir wird klar, dass es das Letzte war, was ich von ihr gehört habe. Seltsam, denke ich jetzt und ein Schauer überläuft mich.
    Ich gehe weiter und mein Blick fällt auf die Eingangstür. Nein, das kann nicht sein: Das dicke Vorhängeschloss am Gittertor ist aufgebrochen. Ich dachte, wir treffen uns hier, vor den Katakomben. Kein Wort von drinnen!
    Die Vorstellung, mich in dieses Labyrinth der Toten zu begeben, lässt mich erschauern. Nein. Unmöglich. Ich sage die ganze Sache ab! Was denkst du dir, sagt meine innere Stimme, willst du ihm eine SMS schreiben und zugeben, dass du Angst hast? Angst macht ihn an, lässt ihn sich endlich einmal überlegen fühlen. Ich könnte die Polizei rufen, versuche ich es noch einmal. Und? Welche Beweise hast du?, kontert meine innere Stimme. Nein – du musst da jetzt reingehen, und: Zeig bloß keine Angst! Es ist nur Sebastian!
    Ich denke an mein Messer in der Umhängetasche und fühle mich ein bisschen besser.
    Hinter dem Eingang stehen tatsächlich die Taschenlampen, wie bei unserem ersten Besuch. Ich nehme eine und gehe weiter, steige Stufe für Stufe hinunter in diese Totenstadt.
    Die heilige Cäcilie hat man in ein Bad mit kochendem Wasser gesetzt, doch sie hat nur Kühle gespürt, fällt mir ein und ich vertreibe rasch das aufsteigende Bild, das nicht Cäcilie, sondern mich in einem dampfenden Waschzuber zeigt …
    Was soll schon passieren? Ich weiß, dass die halbe Million Skelette nicht aufstehen und mit ihren Knochen klappern wird, auch der Teufel wird dort unten nicht auf mich warten, um mich in die Hölle zu verfrachten – und Sebastian … ja, Sebastian ist im Grunde doch ein Weichei. Also, wovor habe ich Angst? Warum zittern meine Knie so? Schluss damit, konzentriere dich auf deine Aufgabe. Du willst schließlich endlich wissen, was mit Levke passiert ist – und danach rufe ich die Polizei!
    Es wird wärmer mit jedem weiteren Schritt. Klar, es geht ja auch in Richtung des heißen Erdmittelpunkts, höhnt meine innere Stimme. Das Licht der Taschenlampe streift über die gelblichen Gebeine, holt sie aus ihrem mehr als tausendjährigen Schlaf, die geöffneten Münder schreien stumm – hastig richte ich den Lichtschein zurück auf den Weg vor meinen Füßen.
    »Rixa ist tot! … tot … tot …ot …«, hallt es plötzlich aus der Tiefe des Labyrinths. Ich taste mich an den Wänden entlang – poröser, trockener Fels, der meine Finger wund schürft. Stell dich nicht so an, mahnt meine innere Stimme, er will dir doch nur Angst machen.
    »He, zeig dich endlich!«, schreie ich. »… lich, lich, ich!«, hallt es von den Wänden mit den Fächern und ihren schaurigen Inhalten. Im dämmrigen Licht, das nicht in alle Gänge vordringt, starren mich die Toten aus augenlosen Höhlen an. »Was hast du mit Levke gemacht?«, schreie ich und merke, dass meine Stimme zittert. Ich bleibe stehen, lausche. Keine Antwort, nur wieder dieses höhnische Lachen, das ich nicht lokalisieren kann.
    »Ich weiß, wer du bist!«, rufe ich wieder. Das Lachen hört für einen Moment auf.
    »Ich bin gekommen, um dir zu helfen.«
    Ohrenbetäubendes Lachen.
    »Sebastian!«
    Das Lachen verstummt.
    »Sebastian!«, rufe ich noch einmal.
    »Der Loser kann dir nicht helfen!«
    Das ist definitiv nicht Sebastians Stimme. »… helfen …elfen …fen …«, hallt es von aus der Tiefe.
    In diesem Moment beginnt sich alles um mich herum zu drehen. Es ist nicht möglich, dass ich mich geirrt habe. Alles war doch so logisch.

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