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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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Ich nehme meinen Mut zusammen und rufe: »Wer bist du?«
    »Das musst du schon selber rauskriegen, Rixa! Aber wenn du es rauskriegst, hast du ein Problem. Ein echtes Problem …ixa …oblem …lem!«
    Ich erspare mir die Frage nach dem Problem. Ich kenne die Antwort.
    Wenn ich herausbekomme, wer der Mörder ist, bringt er auch mich um.
    Schallendes Lachen bricht los. Ich schlucke, die Luft wird immer stickiger und plötzlich ist mir, als erwachten die Skelette, kletterten aus ihren Fächern, in denen sie über tausendfünfhundert Jahre lang gelegen haben, um jetzt, ausgerechnet jetzt, aufzuerstehen. Panisch laufe ich los, laufe immer schneller, ohne die geringste Ahnung, wohin mich der Gang führen wird. Zwanzig Kilometer, fünf Ebenen, eine halbe Million Tote, informiert mich mein Gehirn und macht alles noch schlimmer. Ich bin in einem Albtraum gelandet, in meinem eigenen Albtraum! Ich muss den Ausgang finden …
    »Bleib stehen!«
    Reflexartig gehorche ich, wage kaum, die Taschenlampe herumzuschwenken, aus Angst, ihn – wer war es nur? – zu sehen.
    »Es gibt keine Zeit!«, hallt es von den Felswänden. »Und wenn es keine Zeit gibt … dann gibt es auch keinen Tod. Verstehst du das?«
    Es gibt weder Raum noch Zeit, alles ist Energie … darüber redeten doch ständig Alex – und …
    »Darian!«
    Das Lachen dauert nur wenige Sekunden, dann bricht es ab. Ich warte auf das grausige Echo, doch es ist nur ganz leise zu hören. Das heißt – er ist näher gekommen, viel, viel näher … Vorsichtig schwenke ich die Lampe höher, doch ihr Licht wird von der Dunkelheit aufgesaugt. Ich muss klar denken. Er sucht nach Verständnis, signalisiert sein Okay. Dann gibt es bestimmt eine Chance, mit ihm zu reden.
    »Und was ist das hier?« Ich mache eine weit ausholende Bewegung über die Gänge mit all den Toten, denn ich bin sicher, dass er mich beobachtet. Mit der Taschenlampe in der Hand bin ich kaum zu übersehen.
    »Nur Hüllen, geistlose Hüllen.« Gar kein Echo mehr – ich drehe mich um, erwarte, dass er hinter mir steht, doch meine Taschenlampe beleuchtet nur den leeren Gang.
    »Und warum hast du Levke umgebracht?«, frage ich ins Nichts hinein.
    »Ich hab sie nicht umgebracht!«, kommt es wütend zurück.
    »Sondern?« Nur mühsam unterdrücke ich meine Wut. »Hat sich Levke etwa selbst erwürgt?«
    In den Schein meiner Taschenlampe tritt eine Gestalt. Ja, es ist wirklich Darian. Eigentlich sieht er wie immer aus, Jeans, T-Shirt darüber ein offenes kariertes Hemd, die dunklen Locken hängen ihm lässig in die Stirn. Und doch ist etwas an ihm anders. Dieses Flackern in seinen Augen, als hätte er Fieber? Die roten Flecken der Aufregung in seinem Gesicht?
    »Sie hat nicht aufgehört, verstehst du?«, fängt er an.
    »Womit?« Ich will ihm den Strahl der Taschenlampe direkt ins Gesicht richten, doch etwas hält mich davon ab. Er gesteht doch gerade, sagt meine innere Stimme.
    Er zögert, verschränkt die Arme vor der Brust und stellt sich breitbeinig hin. Zum ersten Mal denke ich, dass er gar nicht cool ist. Er spielt nur den Coolen.
    »Womit hat sie nicht aufgehört?«, wiederhole ich.
    Er zögert, sein Kiefer malmt, sehe ich, dann holt er Luft und sagt: »Zu behaupten, dass ich schwul bin.«
    »Aber wieso …« Ich begreife nicht, was das mit Levkes Tod zu tun haben sollte. Bringt man jemanden um, nur weil er zu einem sagt »He, bist du ’ne Schwuchtel«?
    »Hat sie dir das nicht gesagt?« Skeptisch mustert er mich.
    »Aber nein!« Ich schüttele den Kopf.
    »Sie hat mich dauernd damit genervt! Immer wenn sie in meine Nähe kam, hat sie es mir ins Ohr geflüstert und mich blöd angesehen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Levke, so etwas …«
    »Hat sie aber!«, fällt er mir ins Wort. »Weil sie sauer war!«
    »Sauer?« Die Dinge werden immer verworrener.
    »Weil ich nichts von ihr wissen wollte, kapiert?«, schreit er.
    »Aber deshalb bringt man niemanden um!«, schreie ich zurück.
    Er seufzt, schüttelt resigniert den Kopf und zuckt die Schultern.
    »Sie hat …« Er bricht ab, starrt auf den Boden.
    »Was?« Ich gehe näher an ihn heran. Jetzt trennen uns nur noch zwei Meter.
    »Sie wollte es meinem Vater sagen.«
    »Also echt!« Levke hatte manchmal schon seltsame Ideen. »Dein Vater hätte doch nur darüber gelacht, über so eine blöde Behauptung.« Wie kam Levke nur darauf?
    »Blöd?« Er starrt mich an.
    In dem Moment verstehe ich. Wie konnte ich nur … Es stimmt. Darian ist schwul

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