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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen
Autoren: Dietmar Lykk
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angehalten.
    Heutzutage gab es in Laboe zwar Schlachter oder, wie Hilly immer
sagte, einen Metzger, weil ihr das Wort nicht so brutal klang, aber keinen
Schlachthof und keine Hausschlachtung mehr. Und wie ein Jäger hatte der alte
Mann nicht ausgesehen. Wenn er sich nicht umgezogen und die Jagdflinte irgendwo
abgestellt hatte. Würde so ein Mann im Bus nach Kiel fahren?
    In Laboe lag ein Mensch in seinem Blut. Und der alte Mann mit dem
schweren, langen Mantel hatte es gesehen. Und es war fraglich, ob er jemals
sagen könnte, was und wen er gesehen hatte. Und war um ihm nicht aufgefallen
war, dass sein Mantel Blutspuren aufwies.
    Lüthje wählte die Nummer der Einsatzleitstelle und bat darum, den
Stationsleiter in Laboe anzurufen und diesem aufzutragen, ihn zurückzurufen.
    »Ich stell Sie zur Wache durch«, sagte der Mann.
    »Nein!«, rief Lüthje. »Ich will den Stationsleiter direkt haben.«
    Er hörte, wie der Mann in der Einsatzleitstelle schnaufte. Und sich
schließlich ein »Selbstverständlich« herauspresste.
    »Hier Polizeihauptkommissar Steffens, Polizeistation Laboe.«
    »Kriminalhauptkommissar Lüthje, ich hab hier was für Sie. Bitte
informieren Sie Ihre Leute über Folgendes …« Er schilderte sein Erlebnis mit
dem Mantelmann. Ob Steffens denn irgendeine Meldung hätte, die in Zusammenhang
mit diesem Vorfall stehen könnte. Und wenn auch nur entfernt. Und ob ihn schon
jemand von der Kripo Kiel deswegen angerufen hätte.
    »Nein, keine Anrufe«, sagte Steffens und nach ein paar Sekunden: »Es
war ruhig die letzten Tage. Nicht mal ein Einbruch.«
    Lüthje hörte, wie der Mann schluckte und ihm erst jetzt die mögliche
Tragweite des Anrufs von diesem Kriminalhauptkommissar Lüthje aus Flensburg
aufging.
    Steffens fragte Lüthje, wann er den Mann in Laboe an der Haltestelle
getroffen hatte, um welche Uhrzeit der Bus gefahren sei, wie der Mann ausgesehen
hatte, wie die Blutspuren im Detail aussahen und ob Lüthje bemerkt hätte, woher
der Mann zur Bushaltestelle gekommen war. Lüthje beantwortete geduldig jede
Frage und hörte, wie Steffens sich Notizen machte und dabei immer nervöser
wurde. Offensichtlich wurde ihm klar, dass er eben von einem Kapitaldelikt in
seinem Bereich erfahren hatte, aber nicht wusste, wo es passiert war. Und ein
Kriminalhauptkommissar aus Flensburg hatte offensichtlich die erste Spur
gefunden. Ein Alptraum.
    »Herr Steffens …«, unterbrach Lüthje die nicht enden wollende
Fragerei. »Vergessen Sie nicht, es könnte ja auch Tierblut sein. Wir müssen die
Analyse …«
    Lüthje unterbrach sich. Er hörte eine Frauenstimme, die Steffens mit
»Uwe« anredete. Steffens hielt anscheinend die Hand über die Sprechmuschel,
sodass Lüthje nur ein Genuschel hörte.
    »Entschuldigung. Bin wieder da«, sagte Steffens.
    »War das Ihre Frau oder Freundin eben?«, fragte Lüthje.
    »Meine Frau. Sie wusste nicht, dass ich dienstlich telefoniere.«
    »Woher auch«, sagte Lüthje. Aber eine Frau kennt die Stimme ihres
Mannes, wenn er dienstlich telefoniert. Die klingt dann nämlich nicht mehr
privat, wie Hilly sagt. »Hatte Ihre Frau etwas zu Ihren Fragen zu sagen?«
    »Nein, nein. Das waren nur alte Dorfgeschichten. Aber sobald ich
etwas erfahre, werde ich Sie informieren.«
    »Wenden Sie sich bitte an Kiel. Ich war ja nur zu Besuch in Laboe.«
    Dass der zuständige Kriminalhauptkommissar Malbek in Urlaub fuhr,
erwähnte Lüthje nicht. Wozu auch. Malbeks Kommissariat bekam ja eine
Urlaubsvertretung.

Montag
    1.
    Lüthje war im Sessel eingeschlafen und hatte sich im
Schlaf irgendwie verknotet. So fühlte es sich jedenfalls an. Er rief im Büro an
und sagte, er müsse ein paar dringende Telefonate mit seiner Frau in London
führen und käme etwas später.
    Er fuhr zu seinem Hausarzt Dr. Schöttel. Beim Treten der
Kupplung war ihm, als schnitte ein Dolch von der Hüfte zur Fußsohle. Als ihn
der Arzt im Praxisflur sah, winkte er ihn sofort ins Behandlungszimmer. Er
bekam eine Spritze in den Po oder die Hüfte, so genau konnte er das nicht
lokalisieren.
    Der Arzt wusch sich die Hände und sah Lüthje über den Spiegel über
dem Waschbecken nachdenklich an.
    »Was war denn gestern los? Schlecht geträumt? Probleme?«, fragte Dr. Schöttel,
der gleichzeitig Psychotherapeut war. Da sie sich schon lange kannten, war dies
der übliche Umgangston mit seinem Patienten Lüthje.
    »Eigentlich nichts«, antwortete Lüthje und nach einer Pause des
Nachdenkens: »Es war ein Tag wie jeder andere. Bei mir
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