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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen
Autoren: Dietmar Lykk
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einer
ehemaligen Arbeitskollegin aus der deutschen Botschaft dort verabredet. Hilly
machte sich nichts aus der Kieler Woche, weil es da immer nur ein großes
Gedränge gebe. Als ob es in London anders wäre. Sie würden jetzt wohl ihrer
gemeinsamen Leidenschaft nachgehen, alte Filme in einem Londoner Kino, sahen
sich bestimmt einen alten James-Bond-Film an, die täglich in irgendeinem der vielen
Londoner Kinos liefen. Und sie würde ihrer Freundin von ihrem tollen Mann
erzählen, der, James Bond gleich, auf großen Jachten mit Swimmingpool mit dem
Bösen streitet und schöne Frauen abweist.
    Im Kieler Stadtteil Gaarden wurde der Bus drängend voll.
    Wieder sah der Alte auf die Uhr. Er schob den viel zu weiten Ärmel
hoch, ein Stück vom weißen Hemdsärmel hakte, sein Arm begann zu zittern. Er
pulte die Armbanduhr hervor und sah ein paar Sekunden lang darauf, als wäre die
vor ein paar Sekunden abgelesene Zeit schon spurlos aus seinem Gedächtnis
gelöscht worden.
    Die Lichter der Stadt flackerten durch die nassen Scheiben und
reichten tief, fast bis auf den Fahrzeugboden. Lüthjes Blick wanderte wieder am
Mantel des Alten nach unten.
    »Hummelwiese«, sagte die Computerstimme aus dem Buslautsprecher. Das
war eine Station vor dem Hauptbahnhof, gleich hinter der Gablenzbrücke, vor dem
Zebrastreifen.
    Der Alte erhob sich. Die Tür öffnete sich zischend. Er war der
Einzige, der ausstieg. Mit einem Knopfdruck schloss der Fahrer die Tür. Die
Ampel zeigte Rot für den Bus. Lüthje sah den Alten vor dem Bus über den
Zebrastreifen gehen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinter einer
Hausecke verschwinden. Die Ampel schaltete auf Grün, der Fahrer fuhr an und
schaltete den Blinker ein, als er nach rechts ins Sophienblatt, Richtung
Hauptbahnhof, einbiegen wollte.
    Lüthje griff nach seinem Rucksack und ging zum Fahrer.
    »Polizei, halten Sie sofort an und öffnen Sie die Tür.« Lüthje hielt
dem Fahrer die Dienstmarke hin. Der bremste ruckartig, sah Lüthje noch böser an
und rief per Funk seine Zentrale.
    »Wenn Sie nicht sofort die Tür öffnen, werde ich dafür sorgen, dass
Sie nie wieder eine Bustür öffnen dürfen«, sagte Lüthje ruhig.
    »Wie stellen Sie sich das vor? Hier in der Kurve?«, sagte der Fahrer
und wandte sich dem Mikrofon zu. »Ja, hier Wagen … He, was fällt Ihnen ein …«
Lüthje hatte zum Armaturenbrett gefasst, fand auf Anhieb den richtigen Knopf,
die Tür öffnete sich zischend, und er war draußen.
    Lüthje lief um den Bus, hob die Hand, um ein Auto zum Stehen zu
bringen, und lief über den Zebrastreifen. Er sah den Alten ungefähr fünfzig
Meter vor sich mechanisch einen Fuß vor den anderen setzen. Lüthje würde ihn
fragen, ob er ihn nach Hause begleiten sollte. Er würde seinen Dienstausweis
zeigen, damit der Alte begriff, dass Lüthje Polizist war. Er befand sich nur
noch ein paar Meter hinter ihm, links waren ein paar erleuchtete Schaufenster,
das war die richtige Stelle, ihn anzusprechen.
    Der Alte wandte den Kopf nach links, zu einem der Schaufenster,
sodass Lüthje ihn im Profil sehen konnte. In diesem Moment knickte er mit dem
linken Bein ein, sackte zusammen und schlug mit dem Kopf auf dem Pflaster auf.
    Er war bewusstlos, hatte einen schwachen, unregelmäßigen Puls und
atmete schwach. Lüthje brachte ihn in eine stabile Seitenlage. Während er mit
dem Handy den Notarzt rief, betrachtete er die Schmutzränder am Mantel und die
Schuhe. Es sah so aus, als wäre der Alte durch Blut gegangen.

2.
    Der von Lüthje angeforderte Notarzt traf nach knapp acht
Minuten ein. Lüthje hatte ihm seine Dienstmarke gezeigt und erzählt, dass ihm
der Mann in Laboe aufgefallen und er ihm deshalb gefolgt sei.
    »Dr. Preller«, stellte sich der Notarzt vor. »Vermutlich
Apoplexie«, sagte er nach kurzer Untersuchung und fügte erklärend hinzu:
»Schlaganfall.«
    Lüthje wies auf den Schmutzrand am Mantelsaum. »Was halten Sie
davon?«
    Der Arzt schob vorsichtig Mantelsaum und Hosenbein des Alten hoch
und nickte.
    »Sehr wahrscheinlich Blut, aber nicht vom Patienten. Leicht
angetrocknet. Könnte auch tierisches Blut sein. Außer der Platzwunde über der
rechten Augenbraue, die der Mann offensichtlich beim Sturz auf das Pflaster
erlitten hatte, hat er keine offenen Wunden, die auf einen derartigen
Blutverlust hinweisen. Entschuldigen Sie, aber jede Sekunde ist jetzt
lebenswichtig.«
    Er gab dem Assistenten ein Zeichen. Sie zogen dem Mann den Mantel
aus, lagerten ihn auf eine Trage,
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