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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen
Autoren: Dietmar Lykk
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Strippe bekommen, nicht die Leitstelle der Bundespolizei. Da waren zu viele
     Umwege eingebaut, es musste ja schnell gehen. Der einzige richtige Mann für ihn
     war sein Freund und Kollege Kriminalhauptkommissar Gerson Malbek, Leiter der Kieler
     Mordkommission. Der würde den richtigen Mann kennen, der mit ein paar Leuten
     innerhalb von Minuten hier auf dem Bahnhof das Ballett beobachten und über das
     weitere Vorgehen entscheiden könnte. Vielleicht waren für die Kollegen vom
     Sachgebiet Drogen ein paar bekannte Gesichter unter den Traumtänzern.
    Er erreichte Malbek in seinem Büro in Kiel. »Hallo, Lüthje, wie war
     das Händchenhalten im Zug?«, fragte Malbek.
    »Du bist schon wieder bestens informiert. Lass mich raten. Hilly hat
     noch schnell Jette angerufen, und die hat es dir entzückt mitgeteilt, ›wie süß,
     die beiden‹ und so weiter. Ich wollte dir erzählen, dass ich soeben auf dem
     Kieler Bahnhof mitten im Feierabendtrubel Gast einer mitreißenden
     Ballettaufführung war. Der Titel ist ›Stille Post im lauten Bahnhof‹. Ich nehme
     an, es war eine Generalprobe oder Premiere, denn sonst müssten die Kollegen vom BGS die Inszenierung schon gesehen
     haben.«
    Während er Malbek sein Treffen mit dem Kurier vor der Toilettentür
     und die nachfolgenden Beobachtungen schilderte, sah er sich in der Kabine nach
     möglichen Verstecken um. Eine Spurensicherung war hier überflüssig. Es war eine
     öffentliche Toilette. Selbst wenn sie heute Morgen gereinigt worden war,
     konnten hier seitdem inzwischen hundert Menschen alle möglichen Körperflüssigkeiten
     verteilt haben. Es roch ganz danach.
    »Mach deinen Kollegen Dampf, vielleicht ist die Vorstellung bald zu
     Ende, und niemand weiß, wann sie wieder auf dem Spielplan steht. Die Kollegen
     können sich hier vielleicht wochenlange Observationen ersparen.«
    Hinter der Einwurföffnung für die Papierhandtücher fühlte er so
     etwas wie Schleifpapier. Er ignorierte das Klopfen an der Tür. Er kniete sich
     angeekelt auf den dreckigen Boden und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die
     Öffnung.
    »Einen Moment, Malbek! Ich habe hier was gefunden. Gott sei Dank
     nicht unter dem Geruchsverschluss der Toilettenschüssel. Ein Stück Klettband
     hinter der Oberkante der Abfallöffnung! Da wird also deponiert. Genial
     einfach!«
    »Verstanden! Lass das Klo abschließen, damit die Kollegen in
     Flensburg nachsehen können«, sagte Malbek.
    Lüthje informierte den Zugführer. Der rief seine Leitstelle an und
     holte unter seiner Instrumententafel einen Vierkantschlüssel heraus. »Richten
     Sie sich darauf ein, dass wir Verspätung haben werden!«
    Als der Zug losfuhr, war er bis auf den letzten Platz besetzt. In
     Süderbrarup gab es eine Verspätung von über dreißig Minuten. So lange dauerte
     es, bis ein paar Fahrgäste die Bahnhofstoiletten besucht hatten.
    Lüthje fragte sich schläfrig, warum er dieses Sich-immer-zuständig-Fühlen
     nicht mal ausschalten konnte. Ob er das nicht säuberlich herauspulen könnte,
     vielleicht wie eine Gräte ausspucken, hatte er seinen Freund, den
     Gerichtsmediziner Brotmann, einmal gefragt. Eine besondere Form des
     Pawlow’schen Reflexes hatte der es genannt. Lüthje hatte abgewinkt.
    Als der Zug in einer lang gestreckten Kurve langsam in den
     Flensburger Fjord hinunterfuhr, klingelte sein Handy.
    Es war Malbek. »Weißt du es schon?«
    »Was ist los?«, fragte Lüthje.
    »Irgendjemand hat Schackhaven informiert, dass es unter den
     Balletttänzern auf den Bahnsteigen ein paar bekannte Gesichter gibt. Den
     Einsatz selbst hat dann Gondersen geleitet. Dabei ist ein Unbeteiligter
     erschossen worden.«
    »Scheiße! Wie konnte das passieren? Wieso wurde überhaupt geschossen?«
    »Gondersen hat mich gebeten, dich anzurufen, bevor es ein anderer
     tut. Wer weiß, was dir sonst erzählt wird. Schließlich kam der Tipp von dir,
     und ich habe ihn an Gondersen weitergegeben. Außerdem kennst du ihn ja aus
     deiner Kieler Zeit. Damit ist der … na, sagen wir, der private Dienstweg
     eingehalten.«
    »Ja, schon gut. Wer hat geschossen?« Lüthje machte sich Vorwürfe.
    »Unklar. Außerdem hat niemand einen Schuss gehört. Die
     Gerichtsmedizin hat zugesagt, das Opfer morgen so früh wie möglich zu obduzieren.«
    »Du hältst mich auf dem Laufenden, ja?«
    »Ich soll dich von Gondersen fragen, ob du zur Sichtung des Videos
     der Überwachungskameras morgen Nachmittag nach Kiel kommen kannst. Du hast
     diese
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