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Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: J Sandford
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Kamera.
    Die , überlegte Jake, waren wir .
     
    Er überflog nun rasch die Internetnachrichten, um so viel wie möglich über Madison und Lincoln Bowe zu erfahren sowie über die Umstände des Verschwindens von Lincoln Bowe. Au ßerdem über ihre Freunde und politischen Verbündeten. Lincoln Bowe war ein konservativer Republikaner, loyal gegenüber der Partei und der konservativen Sache, außerdem ein Aristokrat. Madison Bowe war die Tochter eines Anwalts, intelligent, mediengewandt, gutaussehend, die perfekte Partnerin für einen angehenden Star der Republikaner.
    Dann war der Star abgestürzt, von Arlo Goodman zu Fall gebracht.
    Der Streit hatte mit Goodmans Kampf um das Gouverneursamt begonnen, war wegen der Einführung der Watchmen weitergeführt worden und schließlich während Bowes Kampagne für seine Wiederwahl eskaliert. Bowe war der große politische Macher in Virginia gewesen, Goodman der Aufsteiger in der anderen Partei, eine Bedrohung für Bowes Stellung. Und dieser Streit, der als politischer begonnen hatte, war rasch persönlich geworden.
    Bowe: Habt ihr ihn mit seinen Watchmen gesehen? Das ist wie München in den dreißiger Jahren, ein Westentaschendiktator mit seinem politischen Schlägertrupp, ein kleiner Hitler ohne Schnauzbart …
    Goodman: Habt ihr mal dieses Foto von ihm während des ersten Irakkriegs gesehen? Der große Anwalt mit dem Babyface, wie er mit seinen aristokratischen Kumpeln, seinen Freunden
von Skull & Bones Poker spielt und kubanische Zigarren raucht? Sollen die armen Jungs ruhig sterben, aber keins von unseren kostbaren reichen Bübchen mit den schneeweißen Pullovern mit dem großen blauen Y auf der Brust …
    Bowe hatte sicher den Tag verwünscht, an dem er diesen Yale-Pullover getragen und sich darin und in Shorts hatte fotografieren lassen, die nackten Füße in Halbschuhen mit Troddeln, eine dicke Zigarre im Mund und Spielkarten auf dem Tisch, eine widerspenstige Haarsträhne, die ihm in die Stirn fiel – ein harmloses, attraktives Foto im Alter von vierundzwanzig, das man ihm mit sechsundvierzig in den Arsch schieben würde …
     
    Goodman hatte das Rennen um das Gouverneursamt gewonnen. Zwei Jahre später hatte er mit viel Hilfe vom Weißen Haus und einer landesweiten Geldbeschaffungsaktion die Kampagne gegen Bowe angeführt. Bowe hatte seinen Sitz im Senat an einen von Goodmans Spießgesellen verloren.
    Bowe hatte zwar verloren, aber er hatte nicht den Mund gehalten. Er hatte das Geld und den familiären Hintergrund, um in die Rolle des prominentesten Regierungskritikers zu schlüpfen, der Dinge sagen konnte, die amtierende Kongressabgeordnete nicht auszusprechen wagten, weil sie um ihr Stück vom großen Kuchen bangten. Einige glaubten, er würde sich noch einmal um seinen alten Senatssitz bewerben. Andere glaubten, wenn die Republikaner wieder an die Macht kämen, würde er einen Botschafterposten in London oder Paris bekommen.
    Dann war er verschwunden. In ein Auto gestiegen und weggefahren, kurz nachdem er eine wütende Attacke gegen die Syrienpolitik der Regierung geritten hatte sowie gegen die Interessengruppen im Inland, die den Präsidenten unterstützten.
    Die Medien waren ausgeflippt. Und je länger Bowe verschwunden war, desto verrückter wurde alles.
    ABC hatte sein Verschwinden mit dem von Richter Crater
und von Jimmy Hoffa verglichen und Anspielungen auf das organisierte Verbrechen gemacht. CNN hatte eine Sondersendung gebracht, in der in düsteren Tönen von Nazimethoden sowie von Politik im Mittleren Osten und Südamerika die Rede war. In den Film hatten sie Aufnahmen von Watchmen in Bomberjacken und Khakihosen hineingeschnitten, die sich in einem Fußballstadion in Emporia, Virginia, trafen, mit Goodman vor einer riesigen amerikanischen Flagge auf der Bühne. Die Implikationen waren klar.
    Fox hatte den Krieg um die höchsten Einschaltquoten mit einer Sendung gewonnen, in der noch verrücktere Theorien verbreitet wurden, wie die Entführung durch Außerirdische und Selbstverbrennung.
     
    Jake wartete bereits vierzig Minuten und klickte sich immer noch durch die Medienkommentare, als sein Handy klingelte. Gina: »Du bist als Nächster dran. Komm rauf.«
     
    Jacob Winter war dreiunddreißig Jahre alt, eins fünfundachtzig groß, langgliedrig und knochig. Er hatte scharfe Wangenknochen, eine lange Nase, schwarze Haare, die er unmodisch lang trug wie ein Künstler, und hellgrüne Augen. Seine Exfrau nannte ihn Ichabod im Anzug, nach Ichabod Crane aus
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