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Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: J Sandford
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Sleepy Hollow . Er trug tatsächlich Anzüge. Eine Verkäuferin bei Saks hatte mal zwei Stunden dafür geopfert, Krawatten, Hemden und Anzüge mit seiner Augenfarbe zu koordinieren und ihm zu erklären, wie er das auch selbst machen könnte.
    »Ihre Augen sind unglaublich«, sagte sie. »Die richtige Krawatte bringt sie voll zur Geltung. Normalerweise würde man Sie ehrlich gesagt nicht als gutaussehenden Mann bezeichnen, zu viele Knochen im Gesicht, aber Ihre Augen machen Sie sehr attraktiv. Ihre Augen und Ihre Schultern …«
    Ja. Die Sorte Mann, die Verkäuferinnen bei Saks anziehend
finden. Keine schlechte Sache; ihre Bemerkung hatte ihn eine ganze Woche lang aufgeheitert. Ein Mann mit Stil …
     
    Jake war in Montana geboren und auf einer Ranch aufgewachsen. Seine Mutter war Ingenieurin, sein Vater Sohn eines Ranchers, Anwalt und irgendwann Kongressabgeordneter. Jake trat spät in ihr Leben. Da seine Eltern beide katholisch und gegen Abtreibung waren und außerdem Politik mit im Spiel war, wurde die Schwangerschaft hingenommen, doch sie hatten kein großes Interesse daran, ein weiteres Kind aufzuziehen. Jakes Geschwister waren fünfzehn Jahre älter als er.
    Als er zwei Jahre alt war, ließen seine Eltern, die ständig zwischen Billings und Washington hin und her reisten, ihn für immer längere Phasen bei seinen Großeltern. Als er fünf war, waren sie aus seinem Leben verschwunden. Seine Großmutter starb, als er neun war; sein Großvater folgte, als er fünfzehn war. Seine Eltern wollten ihn nicht. Nach einem Jahr auf einer vorbereitenden Privatschule ging er an der Universität von Virginia aufs College, ein einsamer Sechzehnjähriger mit einem Geschichtsbuch unterm Arm.
    Mit neunzehn machte er sein Examen und konnte es sich leisten zu tun, was er wollte. Sein Großvater hatte testamentarisch festgelegt, dass die Ranch verkauft werden und das Geld an Jake gehen sollte, nicht an seinen Vater …
    Zwei Wochen nach dem Examen war er auf der Army Officers Graduate School. Er verbrachte acht Jahre beim Militärischen Nachrichtendienst, zwei davon in der Ausbildung. Im dritten, vierten und fünften Jahr war er bei diversen Spezialeinheiten in Afghanistan.
    Zu Beginn des sechsten Jahres stand er zu nah dabei, als in einem Außenbezirk der Stadt Ghazni eine im Straßengraben versteckte Bombe hochging. Ein Splitter von der Größe eines Softballs durchschlug seine Hüfte. Ein Sanitäter hatte
ihm blutstillendes Material in das Loch in Bein und Hintern gestopft und dann im Rettungshubschrauber gesagt: »Schei ße, Mann, da hast du aber Glück gehabt. Wenn du dich um neunzig Grad nach rechts gedreht hättest, hätte es deine Eier erwischt.«
    Den Rest des sechsten Jahres versuchte man im Walter-Reed-Militärkrankenhaus in Bethesda, sein Bein wieder in Ordnung zu bringen.
    Dann, als er immer noch in Behandlung war, wurde er ins Pentagon versetzt, wo er bei sich eine nahezu unheimliche Fähigkeit entdeckte, in die Welt der Bürokraten einzutauchen. Während seine Militärkollegen sich mit der Einschätzung hinsichtlich der Ausbildung chinesischer Spezialeinheiten oder der elektronischen Eigenschaften von tragbaren indischen Flugkörpern herumschlugen, spielte sich Jakes Tätigkeit innerhalb des Pentagons in diversen, dem Kongress zugeordneten Bereichen ab sowie in dem Rattennest von Büros und Abteilungen, die den Geheimdienst umgaben.
    Er fand Dinge heraus, wurde zum Sam Spade des Papierkorbs, zum Philip Marlowe der Papiervernichtungssäcke.
    Und obwohl er es schließlich schaffte, humpelnd und mit heftigem Armschlenkern fünfmal hintereinander eine Meile in acht Minuten zu laufen, hätte die Army ihn niemals als voll rehabilitiert betrachtet. Diese Karriere war vorbei. Er hätte zwar bleiben, irgendwelche Bürojobs übernehmen und irgendwann als einer dieser intellektuellen Colonels, die über Kriegstheorien debattierten, in Ruhestand gehen können, aber daran hatte er kein Interesse.
    Stattdessen hatte er die Reha zu Ende gemacht und übers Pentagon ein Doktorandenstudium an der Georgetown University aufgenommen mit der Vorstellung, vielleicht an der Universität unterrichten zu können. Seine Dissertation hatte er über modernistische Ideen des zwanzigsten Jahrhunderts,
die die Politik beeinflusst hatten, geschrieben und sie später in überarbeiteter Form als Buch veröffentlicht unter dem Titel Modernismus und Politik: Theorien, die die Welt veränderten .
    Er hatte gute Besprechungen in den wichtigen
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