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Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: J Sandford
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Eingangsbereich. Dort warteten zwei Männer in Bomberjacken, blauen Hemden und Khakihosen. Sie hatten für diesen Besuch ihre Uniform angezogen.
    Einen von ihnen kannte sie. Es war Bob Sheenan, der hinter der Ladentheke von Canelo’s Farm & Garden arbeitete. In der hiesigen Watchmen-Truppe rangierte er ungefähr auf Platz vier oder fünf. Den anderen Mann kannte sie vom Sehen, jedoch nicht mit Namen.

    »Waren Sie reiten?«, fragte Sheenan, als sie in die Eingangshalle kam.
    Sie antwortete nicht. Keine Nettigkeiten für die Watchmen. »Was wollen Sie, Bob?«
    »Nun ja …« Sheenan war ein großer, schwerer Mann, der aussah, als würde er häufiger in Kneipenschlägereien geraten. Seine blassblauen Augen strahlten etwas Fanatisches aus, das linke wurde von einem beschädigten Augenlid halb verdeckt, und unter beiden Augen war die Haut vernarbt. Er hatte eine krumme Hakennase, große gelbe Zähne und roch nach Pizza und Bier, obwohl es noch nicht mal zehn Uhr war. »Sie erzählen hier rum, dass die Watchmen etwas mit der Sache mit Ihrem Mann zu tun hätten.«
    »Das habt ihr auch«, sagte sie kategorisch. »Ich will wissen, wo er ist. Und wenn ihr nicht hier seid, um es mir zu sagen, dann verschwindet.«
    Er drohte ihr mit dem Finger und trat näher an sie heran. »Wir hatten nichts mit Ihrem Mann zu tun. Wenn Sie weiter so rumreden, bringen wir Sie vor Gericht.«
    Sie stellte sich in Kampfpositur. »Oder schlagt mich zusammen?«
    »So was machen wir nicht.«
    »Und was war vor zwei Wochen mit dem mexikanischen Jungen? Dem habt ihr die Wangenknochen gebrochen.«
    »Er hat versucht zu entkommen«, sagte der zweite Mann.
    »Ihr seid nicht die Polizei!«, blaffte sie. »Ihr seid angeblich Pfadfinder. Wie kamt ihr überhaupt dazu, ihn festzunehmen?«
    Sheenan und der andere Mann sahen sich eine Sekunde lang unsicher an, dann erklärte Sheenan: »Der Mexikaner interessiert mich nicht. Das hat nichts mit dieser Sache zu tun.«
    Sie fletschte die Zähne. »Kommt das von Goodman? Oder ist das irgendein Scheiß, den ihr euch selber ausgedacht habt?«

    »Das ist kein Scheiß, Missus.« Sheenan riss die Augen auf und spannte die Schultern an, als ob er sie schlagen wollte. »Sie ziehen unseren guten Namen in den Dreck. Ich weiß nicht, was Ihr Mann vorhat oder wo er ist, aber wir werden das rausfinden. Bis dahin halten Sie Ihren verdammten Mund.«
    »Ich werde meinen Mund nicht halten«, sagte sie. »Und eines kann ich Ihnen versichern, Bob: Ich hoffe für Sie, dass Sie auf Goodmans Anweisung hier sind, denn Sie werden jede Unterstützung brauchen, die Sie kriegen können. Wenn Sie auf eigene Faust hierhergekommen sind, hab ich Sie bis Mitternacht am Arsch. Also, verschwindet ihr jetzt, oder muss ich den Sheriff rufen?«
    Unbeeindruckt von der Drohung trat Sheenan einen halben Schritt nach vorn und baute sich zu voller Größe auf. Die Überwachungskameras liefen. Alles war auf Band. Sie weigerte sich zurückzuweichen, schob aber die rechte Hand in die Tasche ihrer Jeansjacke und berührte den kalten Stahl der 380er.
    »Irgendetwas geht hier vor«, fauchte Sheenan und drohte ihr erneut mit dem Finger, berührte sie aber nicht. »Und wir werden herausfinden, was. Und bis dahin halten Sie sich schön in der Nähe des Hauses auf, Missus. Wir wollen doch nicht, dass Ihnen auch etwas zustößt.«
    Dann lachte er, drehte sich um und ging hinaus. Der andere Mann hielt die Tür auf. Bevor er sie hinter sich zuzog, sagte er: »Wir sind wachsam.«
     
    Sie atmete tief aus, ging in die Bibliothek, die nicht im Bereich der Überwachungskameras lag, nahm mit zitternder Hand die Pistole aus der Tasche und sicherte sie. Ihre größte Angst war, dass diese Typen etwas Törichtes tun würden – einen Unfall inszenieren, ein Missgeschick, einen rätselhaften Mord, ein mysteriöses Verschwinden. Und selbst wenn sie dann irgendwann geschnappt wurden, würde ihr das nichts mehr nützen.

    Sie konnte schon die Stimme des Lokalnachrichtensprechers hören: »… und dann verschwand sie ebenso im Dunkel wie ihr Mann.« Sie hatte früher als Reporterin für einen Fernsehsender in Richmond gearbeitet und häufig solche Sachen geschrieben. So würde sie es jedenfalls machen.
    Seit zwei Wochen plante sie bereits abzuhauen. Sheenan hatte ihr nun den letzten Anstoß gegeben. Sie steckte die Waffe wieder in die Tasche, ging zur Treppe und rief: »Sandi?«
    Sandi kam, sich die Hände an einem Geschirrtuch abtrocknend, aus der Küche. »Ja?«
    »Ich fahre in
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