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Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: J Sandford
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mit ruhigem Gesicht und lächelnd seiner Hinrichtung im Fernsehen zusah. Früher oder später würde der Gouverneur erkennen, dass sie sich in einem Krieg befanden. Dann würde er nicht mehr nur dummes Zeug reden. Dann würde er wütend werden, dann würde er etwas tun. Darrell freute sich auf diesen Tag.
     
    Der Jäger kannte Madison Bowe vom Namen her. Er hatte ihr Foto gesehen, war ihr aber nie begegnet, hatte keine Ahnung, wo sie wohnte, hatte nie geglaubt, dass sie in seiner Zukunft eine Rolle spielen könnte. Als sie in Randall James’ Show zu einer halben Million Menschen sprach, kniete er keine vierzig Meilen von ihrer Farm entfernt auf einer Gummimatte und wartete. Die Sonne über ihm sah aus wie ein mattes Fünfcentstück, das sich hinter den Wolken versteckte.
    In den letzten drei Nächten hatte es immer geregnet dank
einem Tiefdruckgebiet, das über den Appalachen festsaß. In der vergangenen Nacht hatte es kurz nach drei angefangen zu regnen. Er war in seinem Gästezimmer im Obergeschoss der Blockhütte aufgewacht, geschützt von dem schrägen Blechdach. Eine Weile hatte er, eingehüllt in den Baumwollgeruch der Steppdecke, gelauscht, wie das Wasser im Abflussrohr rauschte, dann hatte er sich umgedreht und bis halb fünf tief und fest geschlafen.
    Er wachte jeden Morgen um halb fünf auf. Als er die Augen öffnete, blieb er noch einen Moment ruhig liegen, um zu sich zu kommen, dann schaute er auf die Uhr am Bett, streckte sich und stand auf. Auf dem chinesischen Häkelteppich im Kolonialstil machte er fünfzig Liegestütze und fünfzig Rumpfbeugen, dann eine Reihe von Streckübungen, um sein kaputtes Bein zu trainieren. Als er mit seinen Übungen fertig war, hörte er im Flur einen Wecker klingeln.
    Er schnappte sich seine Jeans sowie eine saubere Unterhose aus der Reisetasche und tapste barfuß durch den Flur zum Badezimmer. Besser der Erste als der Letzte in der Schlange …
    Er putzte sich die Zähne, verzichtete auf das Rasieren und duschte rasch. Danach trocknete er sich mit seinem Handtuch ab, zog Shorts und Jeans an und öffnete die Tür. Peyson Carter lehnte in einen Bademantel gehüllt an der Wand gegenüber. Ihre grünen Augen wirkten schläfrig, und sie hielt einen Föhn in der Hand.
    »Morgen, Jake«, sagte sie, ohne auf seinen nackten Oberkörper zu blicken. Sein Name war Jake Winter. »Billy steht gleich auf.«
    »Yeah, dann will ich euch nicht im Weg sein.«
    Er ging an ihr vorbei, sorgsam darauf bedacht, sie nicht zu streifen. Peyson war die Frau seines besten Freundes. Seit Billy Carter sie vor fünfzehn Jahren im College zum ersten Mal mitgebracht hatte, war Jake immer ein bisschen in sie verliebt
gewesen. Ein Gefühl, das nicht ganz unerwidert blieb, wie er vermutete. Sie waren stets darauf bedacht, sich nicht zu berühren, weil fraglich sein könnte, wo die Berührung endete. Schließlich liebte sie Billy …
    Die Männer im Erdgeschoss brauchten länger zum Aufstehen, doch als er angezogen und in seine Stiefel geschlüpft war, Tarnoverall und Ausrüstung zusammengepackt hatte, waren sie ebenfalls auf. Er konnte hören, wie im Erdgeschoss die Dusche lief, das Glucksen und Gurgeln der Kaffeemaschine, nahm den Geruch von heißem Kaffee an einem kühlen, regnerischen Morgen wahr.
    Als er sein Zimmer verließ, kam Peyson gerade aus dem Bad, dampfig und rosig in den Bademantel gehüllt. »Rührei?«, fragte er.
    Sie sagte »Ja« und rief: »Billy, steh auf.«
    Er folgte ihr durch den Flur, den Blick auf ihren Hintern geheftet. Gott steh ihm bei, wenn Billy, sein bester Freund, je bei einem Autounfall ums Leben käme, würde er eine Woche später bei dieser Frau an die Tür klopfen.
    Peyson ging in das andere Schlafzimmer, und er lief die Treppe hinunter.
     
    In der Küche schlug er Eier in eine Schüssel, kippte Muffin-Fertigteig in Formen, stellte den Backofen an und nahm eine Packung Speck aus dem Kühlschrank. Bob Wilson kam aus dem Badezimmer im Erdgeschoss, die Haare noch nass vom Duschen, und sagte: »Regen.«
    »Nebel.«
    »Dann wird’s jedenfalls ruhig sein im Wald. Hoffentlich verkriechen sich die Vögel nicht.«
    Sam Barger kam mit müden Augen aus dem Schlafzimmer. »Bist du fertig in der Dusche?«, fragte er Wilson.
    »Ja, du kannst.«

    »Es regnet«, murmelte Barger. »Im Fernsehen haben sie gesagt, es soll hier bis Mittag aufklaren.«
    Sie ließen sich Zeit mit dem Frühstück, genossen den Duft der Muffins, die im Backofen aufgingen, den Geruch von Speck und Eiern, von
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