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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch
Autoren: Amanda Stevens
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behutsam.
    »Nein, ich meine eine frische Leiche«, erwiderte er barsch. »Ein Mordopfer.« Mit festem Blick sah er mir ins Gesicht, betrachtete prüfend meine Züge, als würde er meine Reaktion abwägen.
    Ein Mord. Auf dem Friedhof, auf dem ich ganz allein gearbeitet hatte.
    »Deshalb wollen Sie meine Fotos. Sie hoffen, die helfen Ihnen dabei herauszufinden, seit wann die Leiche schon dort liegt«, erwiderte ich.
    »Wenn wir Glück haben.«
    Das leuchtete mir ein, und so war ich nur zu gern behilflich.
    »Ich benutze eine Digitalkamera, aber ich drucke die meisten Bilder aus. Zufällig habe ich ein paar Vergrößerungen in meinem Aktenkoffer. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, mit mir zurück zu meinem Wagen zu gehen.« Ich nickte in die Richtung, aus der wir beide gekommen waren. »Die restlichen Bilder kann ich Ihnen per Mail schicken, sobald ich zu Hause bin.«
    »Danke. Das wäre hilfreich.«
    Ich marschierte los, und er ging neben mir.
    »Da ist noch etwas«, sagte er.
    »Ja?«
    »Ich bin sicher, dass ich Ihnen nichts über die Friedhofsordnung zu erzählen brauche, aber es gibt da gewisse Vorkehrungen, die man treffen muss, wenn man es mit einem so alten Friedhof wie Oak Grove zu tun hat. Wir wollen nicht aus Versehen eine Grabstätte schänden. Dr. Ashby hat etwas von unmarkierten Gräbern gesagt.«
    »Wie Sie selbst schon sagten, es ist ein alter Friedhof. Ein Teil stammt noch aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg. Nach so langer Zeit ist es nicht ungewöhnlich, dass Grabsteine nicht mehr an der ursprünglichen Stelle stehen oder dass sie ganz verschwunden sind.«
    »Wenn so etwas passiert, wie finden Sie dann die Grabstellen?«
    »Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, je nachdem, ob die Kosten eine Rolle spielen   – Radarmessung, Widerstandsmessung, geomagnetische Messung. Fernmessung ist vorzuziehen, weil die nichtinvasiv ist. Wie auch das Rutengehen.«
    »Rutengehen? Ist das so wie mit einer Wünschelrute nach Wasser suchen?«
    Sein Ton verriet seine Skepsis.
    »Ja, das Prinzip ist das gleiche. Es wird eine Y-förmige Rute, manchmal auch ein Pendel benutzt, um die Stelle zu orten, wo sich ein Grab befindet. Wissenschaftler halten die Methode fürreinen Blödsinn, aber ob Sie es glauben oder nicht: Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass es funktioniert.«
    »Ich glaube Ihnen aufs Wort.« Er stockte. »Dr. Ashby sagte, Sie sind mit der Vorabkartierung fertig, deshalb nehme ich an, dass Sie bereits sämtliche Gräber auf die eine oder andere Weise lokalisiert haben.«
    »Dr. Ashby ist ziemlich optimistisch. Ich muss noch jede Menge recherchieren, bis ich weiß, wo der Hund begraben ist, um es mal so auszudrücken.«
    Mein matter Kalauer vermochte ihm kein Lächeln zu entlocken. »Aber Sie müssen doch eine ungefähre Vorstellung haben.«
    Etwas in seiner Stimme störte mich, und ich blieb plötzlich stehen und blickte zu ihm auf. Vorhin hatte ich gedacht, sein geheimnisvolles gutes Aussehen habe fast etwas von einem gefallenen Engel, aber jetzt kam er mir auf einmal nur noch taff und hartnäckig vor. »Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie mich hier nicht nur nach einer Kopie meiner Karte fragen?«
    »Es würde uns sehr viel Zeit ersparen und unter Umständen auch so manche schlechte Presse, wenn uns bei der Exhumierung ein Experte als Berater zur Seite stünde. Den Zeitaufwand vergüten wir Ihnen natürlich.«
    »Da Sie es mit einer alten Grabstätte zu tun haben, schlage ich vor, dass Sie sich mit der Chefin des Amtes für Denkmalschutz in Verbindung setzen. Sie heißt Temple Lee. Ich habe früher mal für sie gearbeitet. Da sind Sie in guten Händen.«
    »Es dürfte äußerst schwierig sein, heute Nacht noch jemanden von Columbia hierherzulotsen, und wie ich Ihnen schon gesagt habe, kann die Sache nicht bis morgen früh warten. In dem Moment, als die Leiche entdeckt wurde, fing die Uhr an zu ticken. Je schneller wir das Opfer identifizieren, desto größer sind unsere Chancen, den Fall zu lösen. Dr. Ashby scheint derAnsicht zu sein, dass Ihre Referenzen das Komitee beruhigen können.«
    »Das Komitee?«
    »Lokale Denkmalschützer, Mitglieder des hiesigen Amtes für Denkmalschutz, ehemalige Studenten, die heute hohe Tiere sind. Diese Leute haben so viel Einfluss, dass sie ernsthaft Krach schlagen können, wenn wir die Angelegenheit nicht streng nach Vorschrift durchziehen. Sie kennen den Friedhof, und Sie kennen die Regeln. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass wir niemandem
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