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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich
Autoren: Tana French
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Gründen.«
    »Sind sie ein Paar? Befreundet? WG-Mitbewohner?«
    »Ein Paar. Sie sind enger nebeneinander hergegangen, als Freunde das tun würden, die Köpfe enger zusammen.«
    »Sind sie schon lange zusammen?«
    Mir gefiel das, die neue Art, wie mein Verstand funktionierte. »Eine Weile, ja«, sagte ich. Frank zog fragend eine Braue hoch, und einen Moment lang war ich mir nicht sicher, woher ich das wusste, dann machte es klick. »Sie haben sich beim Sprechen nicht angesehen. Frische Pärchen sehen sich ständig an. Ältere müssen sich nicht mehr so oft vergewissern.«
    »Wohnen sie zusammen?«
    »Nein, sonst hätte er automatisch auch nach seinen Schlüsseln gesucht. Das da ist ihre Wohnung. Sie teilt sie sich aber mit wenigstens einer Person. Sie haben beide zu einem Fenster hochgeschaut, wollten nachsehen, ob die Vorhänge auf waren.«
    »Wie ist ihre Beziehung?«
    »Gut. Sie hat ihn zum Lachen gebracht – Männer lachen meistens nicht über die Scherze von Frauen, außer sie sind noch in der verliebten Phase. Er hat beide Einkaufstüten getragen, und sie hat ihm die Tür aufgehalten, bevor sie rein ist: Sie gehen fürsorglich miteinander um.«
    Frank nickte. »Sehr gut. Undercoverarbeit ist zur Hälfte Intuition – und ich meine nicht irgendwelchen Hellsehermist. Ich meine, Sachen wahrnehmen und analysieren, ehe du überhaupt merkst, dass du es tust. Der Rest ist Schnelligkeit und Mumm. Wenn du etwas sagen willst oder tun willst, dann tust du es schnell und mit völliger Überzeugungskraft. Wer aus Unsicherheit zögert, ist geliefert, womöglich tot. Sie werden die nächsten ein, zwei Jahre überwiegend keine Kontakte haben. Haben Sie Familie?«
    »Tante und Onkel«, sagte ich.
    »Freund?«
    »Ja.«
    »Sie werden sie kontaktieren können, aber nicht umgekehrt. Meinen Sie, die kommen damit klar?«
    »Das werden sie müssen«, sagte ich.
    Er lehnte noch immer lässig am Fensterrahmen, aber ich bemerkte ein stechendes blaues Funkeln: Er beobachtete mich genau. »Hier geht’s nicht gerade um ein kolumbianisches Kartell, und Sie werden hauptsächlich mit den untersten Chargen zu tun haben – jedenfalls am Anfang, aber Sie müssen sich darüber klar sein, dass der Job gefährlich ist. Die eine Hälfte dieser Leute ist die meiste Zeit zugeknallt, und die andere Hälfte nimmt ihr Geschäft sehr ernst, was bedeutet, dass keiner von denen ein Problem damit hätte, Sie zu töten. Macht Sie das nervös?«
    »Nein«, sagte ich, und das meinte ich auch so. »Überhaupt nicht.«
    »Wunderbar«, sagte Frank. »Holen wir uns Kaffee und fangen wir an.«
    Ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass das alles war: Ich war dabei. Ich hatte ein dreistündiges Einstellungsgespräch und einen Haufen bizarrer Tests mit Tintenklecksen und Fragen über meine Mutter erwartet, aber so arbeitet Frank nicht. Ich weiß bis heute nicht, wann genau er die Entscheidung getroffen hat. Lange Zeit habe ich auf den passenden Moment gewartet, um ihn danach zu fragen. Jetzt bin ich nicht mehr sicher, ob ich überhaupt wissen will, was er in mir gesehen hat, was ihm verraten hat, dass ich dafür geeignet war.
    Wir holten uns angebrannt schmeckenden Kaffee und eine Packung Schokokekse aus der Kantine und verbrachten den Rest des Tages damit, Alexandra Madison zu erfinden. Ich dachte mir den Namen aus – »So behalten Sie ihn besser«, sagte Frank. Madison, weil er ähnlich klingt wie mein eigener Nachname, so dass ich mich umdrehen würde, wenn ich ihn hörte, und Lexie, weil meine Phantasieschwester so hieß, als ich klein war. Frank nahm ein großes Blatt Papier und entwarf ihren Lebenslauf für mich. »Sie wurden am ersten März 1979 im Holles Street Hospital geboren. Vater, Sean Madison, im diplomatischen Dienst, stationiert in Kanada – so können wir Sie rasch abziehen, falls nötig: ein Notfall in der Familie, und weg sind Sie. Außerdem bedeutet das, dass Sie in Ihrer Kindheit viel durch die Weltgeschichte gereist sind, als Erklärung dafür, warum keiner Sie kennt.« Irland ist klein; die Freundin von irgendeinem Cousin von egal wem ist unweigerlich mit einem zur Schule gegangen. »Wir könnten eine Ausländerin aus Ihnen machen, aber dann müssten Sie sich mit einem Akzent rumschlagen, und das will ich nicht. Mutter, Caroline Kelly Madison. Ist sie berufstätig?«
    »Krankenschwester.«
    »Vorsicht. Denken Sie schneller, achten Sie auf mögliche Konsequenzen. Krankenschwestern brauchen in jedem Land eine neue Zulassung. Sie hat in
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