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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau
Autoren: Bernhard Aichner
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Ehebett am Morgen. Blum und Mark. Ein ganz normaler Tag.
    Vor acht Jahren haben sie sich das erste Mal berührt. Auf dem Boot hat er sie umarmt. Ein wundervoller Mann, vom ersten Augenblick an, plötzlich war er da und kümmerte sich um sie. Mark wartete mit ihr, bis die Küstenwache kam, bis sie Hunderte von Fragen beantwortet hatte. Er blieb einfach da. Er schilderte den zuständigen Polizisten, wie er Blum gefunden hatte, er beteuerte, dass er keinen Zweifel an ihrer Version der Geschichte habe. Alles sprach dafür, dass sie die Wahrheit sagte. Die verbrannte Haut, die Verzweiflung, die Tränen, Blum hatte bei einem tragischen Unfall ihre Eltern verloren. Und Mark hatte sie gefunden. Ein Kriminalbeamter im Urlaub, ein Österreicher wie sie. Leidenschaftlicher Segler, alleinstehend. Alles passte zusammen, es war Schicksal, dass sie sich an diesem Tag begegneten, sie hatten einander gefunden, und sie haben einander bis heute nicht mehr losgelassen.
    Ihre ineinander verflochtenen Körper, Haut an Haut, wie sie sich liebevoll berühren. Ganz nah sind sie sich, ihre Münder, die Guten Morgen flüstern, bevor sie beginnen, knurrend mit ihren Kindern herumzubalgen. Uma und Nela. Mark und Blum. Alles fühlt sich gut an, glücklich bleiben sie nebeneinander liegen und schauen zu, wie die Mädchen aus dem Bett steigen und sich auf den Weg zu ihrem Großvater machen. Ich will Kakao, Papa. Ich will Salami, Mama. Wir gehen zu Opa. Ihr seid langweilig. Blum lacht. Mark hält sie liebevoll in seinen Armen, er lässt sie nicht los, schnurrend schmiegt sie sich an ihn. Ich will für immer mit dir in diesem Bett bleiben , sagt sie. Blum genießt es. Alles. Jeden Tag, jede Stunde, ihr Leben. Seit acht Jahren tanzen seine Finger auf ihr, seit sechs Jahren sind sie verheiratet, seit fünf Jahren sind sie eine Familie, leidenschaftlich stürzten sie sich in diese Liebe. Wie ein Rausch ist es, immer noch.
    – Mark?
    – Ja?
    – Kannst du nicht einfach zu Hause bleiben?
    – Leider nein, aber ich komme ja wieder. Es ist viel los im Moment.
    – Was denn?
    – Das willst du nicht wissen, meine Schöne.
    – Wir könnten doch einfach so tun, als wäre die Welt nicht da draußen.
    – Ja, das könnten wir.
    – Aber?
    – Ich muss die Bösen jagen.
    – Du musst nicht. Du willst.
    – Und du willst mit deinen Leichen spielen, ich kenne dich. Lange würdest du es sowieso nicht aushalten hier, in zehn Minuten würdest du aufspringen und mir erklären, dass du dringend eine Versorgung machen musst, dass der alte Herr, der gestern gekommen ist, nicht mehr länger auf dich warten kann.
    – Würde ich das?
    – Ja, würdest du.
    – Zwei Minuten noch, einverstanden?
    – Auch zehn, wenn du willst.
    – Weißt du, was das Schlimmste wäre?
    – Was?
    – Wenn du mich nicht mehr halten würdest.
    – Ich werde dich immer halten, meine Blume.
    – Bitte, hör nie auf damit.
    Schon auf dem Boot hatte sie gespürt, dass dieser Mann sie glücklich machen würde. Wie er sie umarmt und getröstet hat, ein Fremder. Ein Kriminalbeamter, wie absurd. Er hätte sie durchschauen können, ihr die Maske herunterreißen und sie einsperren, er hätte alles beenden können, noch bevor es begonnen hatte. Doch es war anders gekommen. Blum wollte, dass die Umarmung, die da plötzlich war, nicht mehr aufhörte, sie wollte diese Arme kennenlernen, diese Hände. Sie wollte ihn haben, zum ersten Mal einen Mann, zum ersten Mal hielt sie es für möglich. Sie war bereit, ihn an sich heranzulassen, ohne Zögern, ohne Angst. Ganz nah. Mark. Er tat ihr gut, er stellte keine Fragen, er ließ sie einfach so sein, wie sie war. Und er ließ sich auch nicht abschrecken von dem, was sie machte, er hatte keine Angst vor den Toten.
    Sie traf ihn wieder. Zurück im Hafen von Triest, zurück in Österreich, sie verstanden sich, ohne viele Worte fanden sie sich. Er war ein Freund, ihr Beschützer, er war da, als sie ihre Eltern beerdigte, er war da, als sie das Bestattungsinstitut umbaute, er half ihr, wo er konnte. Und irgendwann war da der erste Kuss. Es passierte einfach. Sie saßen im Kühlraum und tranken Bier, erschöpft und glücklich. Sie hatten den Versorgungsraum neu verfliest, es war Spätsommer, sie schwitzten, sie lachten, sie saßen auf Bierkisten.
    – Blum?
    – Ja?
    – Das ist der geilste Kühlschrank, in dem ich je gesessen bin.
    – Du sitzt öfters in Kühlschränken?
    – Ich bin Polizist.
    – Und Polizisten sitzen in Kühlschränken?
    –
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