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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer
Autoren: Susanne Mischke
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ablästern. Ein Bier wenigstens, dann können wir immer noch woanders hin.«
    »Woanders hin« klingt gut in Jules Ohren. Eine Kleinigkeit essen wäre auch nicht schlecht. »Okay, ein Bier. Und bilde dir ja nicht ein, dass ich hier tanze.«
    »Und was machst du so beruflich?« Sandras blaue Puppenaugen sind erwartungsvoll auf Fernando gerichtet.
    »Ich bin bei der TUI .«
    »Ah.«
    Wie – ah? Ah, klasse, oder ah, verdammt? »Ich bin Leiter der Abteilung für Luxushotels.«
    »Ah ja.« Sie streicht ihr Blondhaar zurück und piepst: »Musst du diese Hotels denn auch ab und zu selbst testen?«
    »Ich muss nicht. Meistens gönne ich meinen Mitarbeitern den kleinen Kurztrip. Aber wenn ich möchte, könnte ich das natürlich. Mit einer so hübschen Begleitung wäre es allerdings noch schöner.« Fernando, der in lässiger Pose an der Bar lehnt, lächelt sie gönnerhaft an. Neben ihm kichert Antonio in seinen Bierkrug. Sandra hebt die zu dünn gezupften Augenbrauen und lächelt. Na also, geht doch! Antonio verdreht die Augen, Fernando tritt ihm heimlich gegen das Schienbein. Der soll ihm bloß nicht die Tour vermasseln!
    Sandra. Nettes Stupsnäschen, gut gefüllte Bluse, bisschen zu dicker Hintern, aber noch einigermaßen in Form. Und endlich mal eine, die sogar mit ihren hohen Absätzen noch ein gutes Stück kleiner ist als Fernando.
    »Wie heißt du noch mal?«, fragt sie.
    »Fernando. Fernando Rodriguez.« Er versäumt nicht, sämtliche Rs seines Namens ausgiebig zu rollen. Frauen finden das sexy.
    Prompt beißt Sandra an. »Du bist Spanier?«
    »Meine Familie stammt aus Sevilla, der Stadt der Leidenschaft. Der Vater meiner Mutter war ein bekannter Stierkämpfer.«
    »Stierkämpfer, ja klar!« Sie schnaubt herablassend, nicht ahnend, dass Fernando gerade den ersten wahren Satz von sich gegeben hat.
    »Seine Mutter hat einen Laden für spanische Weine und Lebensmittel in Linden«, mischt sich nun Antonio in die Unterhaltung ein. »Der liegt genau gegenüber von meiner Autowerkstatt.«
    Wenn Antonio ihr erzählt, dass ich mit Mama in einer Wohnung lebe, breche ich ihm jeden Knochen einzeln, beschließt Fernando und wirft seinem Kumpel einen warnenden Blick zu.
    »Ich sammle Oldtimer«, protzt Antonio. »Wenn du willst, kann ich sie dir mal zeigen.«
    »Das sind keine Oldtimer, das sind Schrottkisten zum Ausschlachten«, lästert Fernando. Kann sich Antonio eigentlich kein eigenes Objekt zum Anbaggern suchen? Ist doch grob unfair, ihn die ganze Vorarbeit machen zu lassen und dann sozusagen auf das gesattelte Pferd aufzuspringen. Fernando zieht die Notbremse: »Möchtest du tanzen, Sandra?«
    Sie nickt, und Fernando lotst sie durch das Getümmel. Hinter seinem Rücken zeigt er Antonio den gestreckten Mittelfinger. Dieser verdammte Spaghetti soll gefälligst an seinen Autos rumschrauben, nicht an Fernandos Eroberungen.
    Aber das darf doch nicht wahr sein! Eben war der Sound noch ganz erträglich, jetzt hat der DJ Marquess aufgelegt. Nur kann er jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Schon hüpft Sandra wie ein Flummi zu den pseudospanischen Rhythmen auf der Tanzfläche herum, und Fernando bleibt nichts anderes übrig, als hüftwackelnd den feurigen Südländer zu geben. Die nächste Nummer ist von Shakira – auch nicht viel besser. Wann macht der verdammte DJ endlich Schluss mit dieser Tussi-Pussi-Mucke und legt was Cooles auf? Aber es wird noch schlimmer. Als ein Stück von Silbermond läuft, ist die Schmerzgrenze definitiv überschritten, und Fernando schlägt vor: »Lass uns kurz an die frische Luft gehen.« Sandra ist einverstanden, beide schleusen sich in Richtung Ausgang. Im Vorbeigehen mustert Fernando zwei blutjunge Mädchen in hohen Stiefeln. Hübsche Beine, doch, ja.
    Die beiden bemerken seinen Blick, und Fernando bekommt gerade noch mit, wie die eine naserümpfend zu ihrer Freundin sagt: »Jetzt kommen sie sogar schon zum Sterben hierher.«
    Während er noch in Schockstarre verharrt, wird er von einem angetrunkenen Tänzer gegen den Rücken einer Frau geschubst, die an der Bar steht.
    »Tschuldigung.« Die Frau fährt herum. »Jule?«
    »Nein. Was du siehst, ist mein Avatar.« Ihr Tonfall klingt wenig begeistert, und sie sieht nicht so aus, als würde sie sich über die Begegnung freuen. Aber auch Fernando ist an einer Unterhaltung mit der Kollegin nicht gelegen, überhaupt nicht. »Ja dann – viel Spaß noch«, sagt er und dirigiert Sandra rasch in Richtung Ausgang.
    Herrgott, ist das peinlich! Ausgerechnet
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